Erdogan weitet Kontrolle über türkische Finanzpolitik aus

Reuters
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Der neu gewählte Präsident ernennt seinen Schwiegersohn zum Finanzminister. Zugleich darf er nun per Dekret den Chef der Zentralbank bestimmen.

Recep Tayyip Erdogan ist am Montag zu seiner zweiten Amtszeit als Präsident der Türkei vereidigt worden. Damit besiegelte er den Umbau des Staates vom parlamentarischen in ein Präsidialsystem. Der Mann, der die Geschicke der Türkei bereits seit fast 16 Jahren bestimmt, ist nun nicht mehr nur Staats-, sondern auch Regierungschef. Er wird durch das umstrittene neue Präsidialsystem über mehr Macht verfügen als alle seine Vorgänger der vergangenen Jahrzehnte.

Er schwöre "bei meiner Ehre", unparteiisch an der Erfüllung seiner Pflicht zu arbeiten, sagte Erdogan bei der Vereidigung im Parlament. Bei einer späteren Feier im Präsidentenpalast in Ankara beschrieb er die tiefgreifende Veränderung, die mit dem neuen Präsidialsystem einhergeht, als "Neuanfang".

Anschließend stellte Erdogan das erste Kabinett unter dem neuen System vor. Neuer Finanzminister wird sein Schwiegersohn Berat Albayrak. Neuer Verteidigungsminister wird Generalstabschef Hulusi Akar. Mevlüt Cavusoglu bleibt Außenminister. Der frühere Chef der Katastrophenschutzbehörde, Fuat Oktay, wird einziger Stellvertreter des Präsidenten.

Lira verliert an Wert

Die Ernennung von Albayrak zum Finanzminister kam überraschend. Albayrak ist der Ehemann von Erdogans älterer Tochter Esra und ehemaliger Energieminister. Die türkische Lira verlor nach der Bekanntgabe der Postenbesetzung 3,5 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar. Zum Vergleich: Vor einem Jahr musste für einen Euro nur etwas mehr als 4 Lira gezahlt werden und 2013 nur etwa 2,50 Lira.

Denn Erdogan will auch seinen Einfluss auf die Finanzpolitik des Landes ausweiten. Am Dienstag erließ der Präsident ein Dekret, das ihn künftig ermächtigt, den Präsidenten und den Vizepräsidenten der Zentralbank zu ernennen. Außerdem wird durch das Dekret die Amtszeit der beiden Spitzennotenbanker des Landes von fünf auf vier Jahre verkürzt.

Bisher war es üblich, dass der Präsident gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten und dessen Stellvertreter den Notenbankchef ernannte. Die Entscheidung wurde dann vom gesamten Kabinett bestätigt. In dem Dekret werden andere Kabinettsmitglieder nicht mehr erwähnt. In der Türkei ist die Inflation zuletzt stark gestiegen.

Nach jüngsten Daten betrug die Teuerung im Juni mehr als 15 Prozent. Dies setzt die Notenbank des Landes unter Druck. Die Währungshüter versuchen, mit einem Anstieg der Leitzinsen die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Erdogan ist aber ein Gegner hoher Zinsen, die als klassisches Instrument zur Inflationsbekämpfung gelten. Der Staatspräsident hatte bereits vor den Wahlen angekündigt, die Geldpolitik künftig stärker beeinflussen zu wollen und damit einen Absturz der türkischen Währung auf ein Rekordtief ausgelöst.

(APA/AFP/dpa)

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