UNO kritisiert Seehofer: "Der Plan vernachlässigt das Wichtigste: die Menschen"

Horst Seehofer will von seinem Plan nicht abrücken.
Horst Seehofer will von seinem Plan nicht abrücken.APA/AFP/AXEL SCHMIDT
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Der deutsche Innenminister ignoriert in seinem Konzept zur Migrationspolitik die vergangene Woche erzielte Einigung der Koalition. Kritik kommt vom Koalitionspartner - und dem UN-Flüchtlingshilfswerk.

Der deutsche Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer hat in seinem, am Dienstag vorgestellten "Masterplan Migration" die Einigung der Koalition zur Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutsch-österreichischen Grenze nicht aufgenommen. Trotz des Streits mit dem Koalitionspartner SPD enthält das Maßnahmenpaket jedoch weiterhin die Forderung nach "Transitzentren" an der Grenze.

An der deutsch-österreichischen Grenze werde ein "neues Grenzregime" ausgestaltet, um Asylwerber, für deren Verfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise zu hindern, so Seehofer bei der Präsentation des 63-Punkte-Plans in Berlin. Österreich sei mit den Plänen zur Zurückweisung einverstanden, zumindest was jene Flüchtenden betrifft, die bereits einen Asylantrag in Österreich gestellt haben, versicherte er.

"Wir richten dafür Transitzentren ein, aus denen die Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden", steht in dem Dokument. Seehofer hatte aus Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD zuletzt von "Transferzentren" an der Grenze gesprochen. Die SPD lehnt den Begriff "Transitzentren" ab, ebenso wie den Ausdruck "geschlossene Lager". In einem gemeinsamen Beschluss von CDU, CSU und SPD vom vergangenen Donnerstag hieß es daher, die Bundespolizei nutze "für das Transitverfahren ihre bestehenden Einrichtungen in unmittelbarer Grenznähe".

"Kein Masterplan der Koalition"

"Das ist ja kein Masterplan der Koalition, sondern ein Masterplan dieses Hauses unter meiner Verantwortung", betonte Seehofer. Der Inhalt gebe die "Position des Innenministers" wieder. "Wenn ich das jetzt als Plan der Koalition bezeichnen würde, dann würde die SPD mit Recht Kritik üben", begründete der Minister sein Vorgehen. Er wisse ja gar nicht, welche Maßnahmen des Plans die SPD mittrage oder nicht. Die Arbeiten an seinem Papier seien am 4. Juli abgeschlossen worden. Aus Sicht von Seehofer wäre es "widersinnig", danach getroffene Vereinbarungen in das Dokument einzuarbeiten. Der Koalitionsbeschluss zur Asylpolitik wurde am 5. Juli getroffen, nachdem es vor allem auch zwischen CSU und der CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu erheblichen Differenzen gekommen war.

Nach dem heftigen Streit in der Union um die von Seehofer geforderten Zurückweisungen an der Grenze hatten sich zunächst CDU und CSU Anfang der vergangenen Woche dann auf ein "neues Grenzregime" an der deutsch-österreichischen Grenze geeinigt. "Wir richten dafür Transitzentren ein, aus denen die Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden", hieß es in dem Beschluss von CDU und CSU. Diese Passage findet sich so auch in dem nun veröffentlichten "Masterplan" wieder.

Wegen des Zwists mit Merkel, in dem Seehofer auch seinen Rücktritt angeboten hatte, hatte der Innenminister zudem die ursprünglich für den 12. Juni geplante Präsentation des Masterplans kurzfristig abgesagt. In dem nun veröffentlichten Dokument heißt es, dem "Masterplan" liege die Überzeugung zugrunde, "dass unser Land seine Verantwortung nach Außen nur wahrnehmen kann, wenn zugleich der Zusammenhalt im Innern erhalten bleibt". Die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft setze "Ordnung und Steuerung" von Migration voraus. "Kein Land der Welt kann unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen."

SPD übt scharfe Kritik

Seehofers "Masterplan" befasst sich in den 63 Punkten mit zahlreichen Maßnahmen in der Flüchtlings- und Asylpolitik und enthält auch die Einrichtung sogenannter Ankerzentren zur Aufnahme von Asylwerbern. Acht Organisation um Save the Children und Pro Asyl kritisierten die Pläne. "Ankerzentren sind kein Ort für Kinder", erklärten sie. Seehofer berücksichtige "die Interessen von Kindern an keiner Stelle".

Auch vom Koalitionspartner SPD kam heftige Kritik. Die Sozialdemokraten riefen Seehofer dazu auf, mehr zu arbeiten anstatt ständig neue Vorschläge in der Asylpolitik zu machen. "Die SPD hat keinerlei Interesse, eine weitere Aufführung des CSU-Sommertheaters zu erleben", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner. "Unser gemeinsamer Masterplan ist und bleibt der Koalitionsvertrag - da hat Herr Seehofer genug abzuarbeiten", sagte er. "Nachverhandlungen wird es mit der SPD nicht geben."

Auch das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) nahm Seehofers Plan mit Skepsis auf. "Wir sehen positive Ansätze, der Grundtenor dieses Papiers ist jedoch bedenklich", sagte UNHCR-Vertreter in Deutschland, Dominik Bartsch. "Der Plan konzentriert sich nur auf Verschärfungen bei der Verwaltung und in Verfahrensfragen und vernachlässigt das Wichtigste: den Menschen."

Seehofer rechnete mit komplizierten Verhandlungen mit Italien und Griechenland über Rücknahmeabkommen für bereits dort registrierte Asylwerber, die dann nach Deutschland kommen. "Es werden sehr schwierige Gespräche, aber sie können gelingen." Angestrebt sei, im Laufe des Juli so viel Klarheit zu bekommen, "um beurteilen zu können, es wird Abkommen geben oder nicht".

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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