Zwei Drittel der Deutschen halten Horst Seehofer für "Störenfried"

APA/BARBARA GINDL
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Der deutsche Innenminister gerät immer mehr unter Beschuss: Für Kritik sorgt etwa die unrechtmäßige Abschiebung von Osama bin Ladens Ex-Leibwächter Samir A.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer sieht sich mit immer mehr Angriffen konfrontiert. Jetzt steht der CSU-Chef auch wegen seiner Rolle bei der umstrittenen Abschiebung des mutmaßlichen früheren Bin-Laden-Leibwächters Sami A. unter Beschuss. Seehofer war über Pläne informiert, bestätigte am Montag eine Sprecherin.

Der Fall Sami A. beschäftigt derzeit Deutschland. Der Tunesier war am Freitag in sein Heimatland abgeschoben worden, dabei hatte das zuständige Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Donnerstagabend entschieden, dass er nicht abgeschoben werden dürfe, weil ihm in Tunesien Folter drohe. Der Beschluss ging jedoch erst am Freitag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den anderen Behörden ein, als sich Sami A. schon im Flugzeug befand.

Der Innenminister sei persönlich im Voraus über die Pläne für die Abschiebung informiert gewesen, bestätigte eine Sprecherin des Ministeriums. Seehofer sei wichtig gewesen, dass eine Rückführung "schnell und entschlossen" geschehe. Ein Drängen habe es von ihm aber nicht gegeben: "Es gab keinerlei Einflussnahmen auf irgendeinen Verfahrensschritt." Erst am Freitag soll der Minister dann über die Abschiebung am selben Tag in der Früh erfahren haben, sagte die Sprecherin.

Kritik wegen harter Haltung gegen Flüchtlingsschiff-Kapitän

Die Frage sei nun, ob die Behörden das Gerichtsurteil missachtet haben, sagte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck der "Süddeutschen Zeitung", und: "Entweder handelt es sich um ein absolut peinliches Chaos, oder es stinkt zum Himmel, weil die Innenbehörden ein Exempel statuieren wollten." Vor allem sei zu klären, ob Seehofer persönlich versucht habe, Recht zu beugen.

Attackiert wurde Seehofer zudem wegen seiner harten Haltung in der Asyl- und Migrationspolitik vom in Malta angeklagten deutschen Kapitän des Flüchtlings-Hilfsschiffes "Lifeline". Claus-Peter Reisch, der sich vorübergehend in Deutschland befindet, forderte den Rücktritt des CSU-Chefs. "Er will die Rettungsorganisationen vor Gericht stellen", erklärte der Kapitän. Tatsächlich habe aber der Minister Recht gebrochen: "Er gehört vor Gericht. Er muss zurücktreten."

Das Ansehen Seehofers hat in den vergangenen Wochen offensichtlich enorm gelitten. Laut der aktuellen Forsa-Umfrage für die Fernsehsender RTL und n-tv halten ihn knapp zwei Drittel der Bürger (62 Prozent) für einen "Störenfried", nur ein gutes Viertel (27 Prozent) sieht in ihm einen "aufrechten Politiker". Selbst unter den CSU-Anhängern betrachtet knapp die Hälfte der Befragten (46 Prozent) den CSU-Chef als "Störenfried".

Rücktritt für CDU noch kein Thema

Noch größer ist die Ablehnung unter den Anhängern der anderen Parteien. Einzige Ausnahme sind die AfD-Anhänger: 84 Prozent von ihnen halten den Innenminister für einen "aufrechten Politiker", 90 Prozent sehen keinen Grund für einen Rücktritt.

Ein Rücktritt von Seehofer ist nach Angaben von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer solange kein Thema für die CDU, wie er sich an Vereinbarungen der Großen Koalition hält. Der CSU-Chef sei Innenminister auf "Grundlage eines vereinbarten Koalitionsvertrages", sagte die Kramp-Karrenbauer am Montag in Berlin. Seehofer habe nun ein großes Ressort zu führen und mit seinem "Masterplan Migration" auch Reformen in Gang gesetzt. Vom diesem "Masterplan" sei "ein Teil der Maßnahmen vom Koalitionsvertrag abgedeckt" und werde vom Koalitionspartner SPD mitgetragen.

(APA/Reuters/dpa/AFP)

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