Dutzende Frauen und Kinder von IS-Miliz in Syrien verschleppt

Bei Anschlägen in Sweida kamen 250 Menschen, großteils Angehörige der syrischen Drusen, ums Leben.
Bei Anschlägen in Sweida kamen 250 Menschen, großteils Angehörige der syrischen Drusen, ums Leben.APA/AFP/SANA/HANDOUT
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Drusen verhandeln mit Islamisten über Freilassung von Geiseln - 17 Männer aus der Region vermisst

Bei Angriffen auf Dörfer in der südsyrischen Provinz Sweida hat die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) vergangene Woche 36 Frauen und Kinder entführt. Mindestens 20 Frauen und 16 Kinder der religiösen Minderheit der Drusen seien verschleppt worden, meldeten die örtliche Nachrichtenseite "Suwayda24" und die in Großbritannien ansässige "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" am Montag.

Laut der Beobachtungsstelle sei vier Frauen die Flucht gelungen, während eine erschossen und eine weitere vermutlich auf dem Marsch an Erschöpfung gestorben sei. 30 Frauen und Kinder seien somit noch in Geiselhaft. "Suwayda24" berichtete, alle Opfer stammten aus dem Dorf Shabke im Osten der Provinz Sweida am Rande der großen Badija-Wüste.

Verhandlungen über Freilassung

Aus informierten Kreisen hieß es, Geistliche der Drusen verhandelten mit den Jihadisten über die Freilassung der Geiseln. Die IS-Miliz hat in Syrien in den vergangenen Jahren immer wieder Angehörige religiöser Minderheiten entführt. So wurden 2015 und 2016 Hunderte Christen aus Dörfern im Nordosten und dem Zentrum des Landes verschleppt, doch nach Verhandlungen zumeist freigelassen.

Der "Suwayda24"-Journalist Nur Radwan sagte der Nachrichtenagentur AFP, die IS-Miliz habe den Angehörigen Fotos und Videos der Entführungsopfer zugeschickt und fordere von der Regierung die Freilassung von IS-Häftlingen und die Einstellung der Offensive gegen ihre Kampfgefährten in der südlichen Provinz Daraa. Die IS-Miliz veröffentlichte zunächst nichts zu den Entführungen.

Radwan sagte, die Opfer stammten aus zwei Großfamilien und seien vermutlich in die Badija-Wüste verschleppt worden. Die Einwohner von Shabke seien Bauern, die nur über Jagdgewehre verfügten, um sich zu verteidigen. Es habe dort daher kaum Widerstand gegeben, sagte der Journalist. Laut der Beobachtungsstelle wurden auch noch 17 Männer aus der Region vermisst.

Mehr als 250 Tote bei Anschlägen

Bei der Anschlagsserie am Mittwochmorgen vergangener Woche hatten die Jihadisten in der Provinzhauptstadt Sweida und umliegenden Dörfern mehr als 250 Menschen getötet. Die Angriffe der sunnitischen Extremistengruppe richteten sich gegen die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad und Milizionäre, doch wurden auch rund 140 Zivilisten dabei getötet.

Die meisten Opfer waren Drusen, die in Sweida die Mehrheit der Bevölkerung stellen und von den Jihadisten als "Ungläubige" angesehen werden. Es waren die blutigsten Angriffe in der Provinz seit Beginn des Bürgerkriegs 2011. Da die Drusen in dem Konflikt zumeist eine Haltung der Neutralität eingenommen haben, sind ihre Siedlungsgebiete bisher weitgehend verschont geblieben.

Mit den Anschlägen am Mittwoch wollte die IS-Miliz vermutlich den Druck von ihren Kampfgefährten in der Nachbarprovinz Daraa nehmen, die seit dem 19. Juli von der syrischen Armee bombardiert werden. Auch am Montag rückten die Regierungstruppen mit russischer Luftunterstützung weiter gegen die letzten Dörfer unter Kontrolle der IS-Miliz vor, wie die staatliche Nachrichtenagentur SANA meldete.

Die IS-Miliz hat sämtliche Städte unter ihrer Kontrolle in Syrien verloren, ist jedoch weiter in Daraa und der Badija-Wüste sowie in einem kleinen Gebiet im Osten des Landes präsent. Im Mai waren die Jihadisten gezwungen, im Zuge einer Vereinbarung mit der Regierung aus dem Viertel Yarmouk in Damaskus in die Wüste abzuziehen. Berichten zufolge waren einige dieser Kämpfer nun an den Anschlägen in Sweida beteiligt.

(APA/AFP)

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