Kofi Annan: Der Friedenskämpfer ist tot

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Wie kaum ein anderer hat Kofi Annan die Vereinten Nationen geprägt. Nun ist der Friedensnobelpreisträger und frühere UN-Generalsekretär im Alter von 80 Jahren überraschend in Bern gestorben.

Kofi Annan hat sich eingemischt, bis zuletzt. In diesem Jahr war ihm besonders der Protest gegen die Waffenlobby der USA ein Anliegen. „Wenn Staatsführer ihrer Rolle nicht gerecht werden, kann das Volk die Führungsrolle übernehmen und die Anführer zum Folgen zwingen“, sagte er mit unverhohlener Kritik in Richtung des US-Präsidenten Donald Trump. Sein Amt als Generalsekretär der Vereinten Nationen hatte Annan Ende des Jahres 2006 abgegeben. Doch seine charismatische Stimme blieb präsent, als unüberhörbares Weltgewissen.

Sie wird fehlen – gerade in dieser Zeit, in der so mancher Weltlenker den Begriff der Moral allzu flexibel definiert. Am Samstag ist Annan, der erste Afrikaner an der Spitze der Vereinten Nationen, nach kurzer Krankheit im Alter von 80 Jahren in einem Krankenhaus in Bern gestorben. In jener Stadt also, in der er vor über einem halben Jahrhundert in den UN-Dienst eingetreten ist. Der Ghanaer wird wie kaum ein anderer für Erfolge, aber auch einige Versäumnisse der Staatenorganisation in Erinnerung bleiben, mit der er gemeinsam im Jahr 2001 den Friedensnobelpreis für seinen Einsatz „für eine besser organisierte und friedlichere Welt“ bekam.

Beste Bedingungen

Diesem Anliegen hat er sein Leben gewidmet. Dass er es auf höchster Ebene verfolgen konnte, verdankt er auch glänzenden Bedingungen in seiner Jugend. Beide Großväter waren traditionelle Anführer, sein Vater wurde nach Ghanas Unabhängigkeit im Jahr 1957 Direktor der ersten ghanaischen Bank. Annan ging zunächst in der Heimat auf ein Elite-Internat, studierte später Volkswirtschaft in den USA und in der Schweiz. Ein Professor gab ihm damals einen wichtigen Satz mit: „Wenn Menschen an einem Ort leiden, dann betrifft das die Menschen an allen Orten.“
Die Vereinten Nationen prägte er als eine mal mehr, mal weniger erfolgreiche Friedensinstanz. Bei seinem Amtsantritt als oberster UN-Diplomat im Jahr 1997 versprach Annan umfassende Reformen. Er kannte die Unzulänglichkeiten. Als Untergeneralsekretär für Friedenssicherung koordinierte Annan 16 UN-Missionen, darunter die in Ruanda im Jahr 1994, als vor den Augen der Weltbevölkerung binnen weniger Wochen 800.000 Menschen getötet wurden. Annans Büro hatte Hinweise, denen zufolge der Genozid bevorstand, weitgehend ignoriert.

Auch das Massaker an Zivilisten im Bosnien-Konflikt gilt als eines der dunkelsten Kapitel in der UN-Geschichte. In beiden Fällen wurden UN-Soldaten dafür kritisiert, dass sie den Opfern kaum Schutz gewährt hätten. Annan sah sich lange als Bauernopfer, schließlich habe er mit Nachdruck „Dutzende Länder um mehr Truppen“ gebeten. Später gab er aber zu, „bitter zu bereuen, nicht mehr getan zu haben“.

Unterstützt durch die USA. Die schmerzhafte Erinnerung hat seine Politik als Generalsekretär begleitet. 1997 trat er das Amt an, nachdem vor allem die USA seine Wahl unterstützt hatten – Vorgänger Boutros Boutros-Ghali hatte sich mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton überworfen. In US-Kreisen hatte Annan einen glänzenden Ruf, seit er vor dem ersten Irak-Krieg 1990 die Ausreise von UN-Gesandten aus Bagdad organisiert hatte.

Annan straffte die nahezu bankrotte und verkrustete Organisation, strich 1000 der 6000 Stellen im New Yorker Hauptquartier, stärkte den Sicherheitsrat, schuf einen neuen Nothilfefonds und überarbeitete das UN-System für wirkungsvollere Blauhelmeinsätze. Vor allem schaffte es der glänzende Verhandler, die Mitgliedstaaten zu überzeugen, endlich eine aktivere Rolle bei Konfliktbekämpfungen zu übernehmen. „Afrikas wichtigster Diplomat“ habe der UNO neues Leben eingehaucht, pries ihn das Komitee des Friedensnobelpreises. Gemeint waren damit auch seine Fähigkeiten als Geldeintreiber – besonders die USA beglichen erhebliche ausstehende Beitragszahlungen.

Annan führte die Organisation während einer denkbar turbulenten Zeit. Globalisierung, islamistischer Terror und die Kriege in Afghanistan, Irak und dem Sudan bedeuteten enorme Herausforderungen – hinzu kamen weitere Konflikte in Afrika, Zentralasien und dem Nahen Osten. Besonders wegen des Irak-Krieges legte er sich dabei auch mehrfach mit den USA an, seinem wichtigsten Unterstützer. Er vertraute auf die Macht des persönlichen Gesprächs, setzte sich, wenn er es für nötig hielt, auch mit Diktatoren an einen Tisch.

Makellos war seine Bilanz nicht, die Reformen blieben hinter den Ambitionen zurück. Annan wurde auch für Verwaltungsfehler im Zusammenhang mit dem umstrittenen Hilfsprogramm „Öl für Lebensmittel“ im Irak kritisiert. Hieran war eine Firma beteiligt, in der sein Sohn Kojo in gut dotierter Position arbeitete. Ein Untersuchungsausschuss stellte keine persönliche Vorteilsnahme von Kofi Annan fest, allerdings wurde ihm vorgeworfen, die Schwere des Interessenskonflikts unterschätzt zu haben.

Der Vermittler

Unbestritten ist, dass sich Annan zeitlebens mit aller Kraft für den Frieden einsetzte. Nach seiner Zeit als UN-Generalsekretär war er Vermittler im Syrien-Krieg, verhandelte nach den blutigen Wahlen 2008 in Kenia und setzte sich für Menschenrechte und Demokratisierung in Burma ein. Er blieb ein kritischer Beobachter neuer globaler Fragen, kommentierte mit gewohnter intellektueller Tiefe Fehlentwicklungen in den Sozialen Medien, die Gefahren künstlicher Intelligenz und digitaler Überwachung. Annan wurde auf vier Kontinenten mit zwei Dutzend Ehrendoktortiteln ausgezeichnet.

„Kofi Annan war eine führende Kraft für das Gute“, sagte der aktuelle UN-Generalsekretär António Guterres am Samstag. Er habe die Organisation mit „unvergleichlicher Würde und Willen in das neue Jahrtausend geführt“. In vielerlei Hinsicht sei er ein Abbild der Vereinten Nationen gewesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2018)

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