Unionsfraktionsvize: "Bürger fragen zu Recht, ob wir verrückt geworden sind"

Seehofer, Merkel
Seehofer, MerkelAPA/AFP/ODD ANDERSEN
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Die Ablösung und Beförderung von Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen empört auch CDU-Politiker Carsten Linnemann. Die Entscheidung der Parteichefs sei nicht "den Bürgern nicht zu vermitteln". Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist verärgert.

In Deutschland hat Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) scharfe Kritik am Koalitionsbeschluss zur Beförderung des Geheimdienstchefs Hans-Georg Maaßen geübt. "Für mich ist die Entscheidung der Parteivorsitzenden nicht zu verstehen und den Bürgern nicht zu vermitteln", sagte Linnemann der neuen Ausgabe des Magazins "Spiegel". Die Entscheidung "liegt fernab der Realität".

Seit dem Koalitionsbeschluss habe er eine Flut empörter Nachrichten aus dem Wahlkreis erhalten, sagte der CDU-Politiker, der auch Vorsitzender der einflussreichen Mittelstandsvereinigung der Union ist. "Die Bürger fragen zu Recht, ob wir in Berlin alle verrückt geworden sind." Beim Thema Maaßen gehe es um die Glaubwürdigkeit und damit die Zukunft der Volksparteien in Deutschland.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Innenminister Horst Seehofer (CSU) und SPD-Chefin Andrea Nahles hatten sich am Dienstag darauf verständigt, dass Maaßen seinen Posten als Verfassungsschutzchef räumen muss. Er soll stattdessen Staatssekretär im Innenministerium werden. Dafür soll der für den Bereich Bau zuständige bisherige Innen-Staatssekretär Gunther Adler, ein SPD-Mann, in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Dem muss das Bundeskabinett noch zustimmen.

Auslöser für die Ablösung Maaßens als Verfassungsschutzpräsident waren dessen Äußerungen zu Vorfällen in Chemnitz. Er hatte sich skeptisch zur Echtheit eines Videos geäußert, auf dem die Verfolgung von Ausländern zu sehen war. Zudem bezweifelte er, dass es dort Hetzjagden gegeben habe - und widersprach damit zugleich Kanzlerin Merkel. Daneben sorgten auch Treffen Maaßens mit AfD-Politikern für Kritik.

"Hilft nicht"

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht im Streit um Maaßen nun eine Belastung für seinen Wahlkampf zur Landtagswahl. "Alles, was in diesem Wahlkampf von Bayern ablenkt, hilft nicht", sagte Söder der "Augsburger Allgemeinen" vom Freitag. Scharf kritisierte er dabei das Erscheinungsbild der Großen Koalition.

Er halte es "nicht für den Ausdruck einer starken Demokratie, wenn sich eine Koalition zwei Wochen lang bis an den Rand des Zerreißens damit beschäftigen muss, ob ein Beamter im Amt bleibt oder wechselt", sagte Söder.

Noch am Samstag hatten auf dem CSU-Parteitag führende Politiker versucht, die Causa Maaßen als unwichtig für den Wahlkampf darzustellen. Söder sagte da in einem Interview: "Ich glaube, der Mehrzahl der Menschen in Bayern ist das nicht so wichtig, wer Behördenleiter einer zugegebenermaßen wichtigen Behörde ist."

(APA)

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