„Das Letzte, was wir brauchen, ist eine Verzwergung“

Kiska, Van der Bellen und Steinmeier plauderten über die Vorzüge der EU in der WU Wien.
Kiska, Van der Bellen und Steinmeier plauderten über die Vorzüge der EU in der WU Wien.APA/HANS PUNZ
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Die Präsidenten Österreichs, Deutschlands und der Slowakei gaben bei einer Diskussion in Wien ein Plädoyer für gemeinsame europäische Lösungen ab. Zugleich warnten sie vor Populismus und nationalen Alleingängen.

Wien. Wie sieht die Zukunft der EU aus, gerade in Zeiten des Brexit und der heftigen Diskussionen über Fragen wie Migration? In Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik hat die WU Wien am Dienstag gleich drei Staatsoberhäupter dazu eingeladen, über Fragen wie diese zu diskutieren.

Die Präsidenten Österreichs, Deutschlands und der Slowakei, Alexander Van der Bellen, Frank-Walter Steinmeier und Andrej Kiska, nutzten das für ein Plädoyer für Europa und eine Absage an nationale Alleingänge und Populismus. „Der Zustand Europas hat sich in den vergangenen zwölf Monaten nicht verbessert“, mahnte Steinmeier. Einer der vielen Gründe dafür sei, dass Vorzüge der EU wie Reisefreiheit und die Verflechtung der Volkswirtschaften für viele selbstverständlich geworden seien.

In der Abstimmung für den Brexit in Großbritannien sieht er die Zuspitzung einer Entwicklung der vergangenen Jahre: Die EU werde immer mehr zum Instrument der innenpolitischen Auseinandersetzung in den Mitgliedstaaten. Und sie sei zur Adresse für das Unbehagen über die Globalisierung geworden. Natürlich gebe es etwa bei internationalen Finanzstrukturen Probleme. „Aber man muss dem Kinderglauben entgegentreten, dass man sich in diesen Fragen ins nationale Schneckenhaus zurückziehen kann“, sagte Steinmeier.

Österreichs Bundespräsident Van der Bellen wartete mit einem Gedankenspiel auf: Darin ist Österreich die EU. Im EU-Rat würden dann die Landeshauptleute sitzen. Und der Landeshauptmann von Vorarlberg etwa wisse natürlich genau, dass über sein politisches Überleben in Vorarlberg entschieden wird. In der EU gebe es quasi 28 solcher Landeshauptleute. Sein Fazit: Die EU sei von einem Zentralstaat Lichtjahre entfernt. „Das Letzte, was wir brauchen ist eine freiwillige Verzwergung à la Boris Johnson“, sagte Van der Bellen mit einem Seitenhieb auf den britischen Ex-Außenminister, einem Hauptaktivisten des Pro-Brexit-Lagers. Die vielen Studenten unter den Zuhörern rief er dazu auf, zur kommenden EU-Wahl zu gehen. „Überlegen Sie sich dabei, wer ein wahrer Patriot ist. Der, der den Nationalstaat des 19. Jahrhunderts auf den Schild hebt? Oder der, der versteht, dass nationale Souveränität gebündelt werden muss.“

Seitenhieb auf Ungarn

Die EU sei kein Problem, sondern eine Lösung für die Schwierigkeiten in Europa, sagte der slowakische Präsident Kiska. Zugleich warnte er vor Fremdfeindlichkeit und Nationalismus. Als negatives Beispiel nannte er etwa Plakate, die er in „einem Nachbarland der Slowakei und Österreichs“ gesehen habe. Darauf stand „Stopp Brüssel.“ Mit dem Land war zweifellos Ungarn gemeint. (w. s.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2018)

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