China droht Taiwan

Im Visier des großen Nachbarn. Die zu Taiwan gehörende Insel Shiyu vor der chinesischen Küstenstadt Xiamen.
Im Visier des großen Nachbarn. Die zu Taiwan gehörende Insel Shiyu vor der chinesischen Küstenstadt Xiamen.REUTERS
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Der chinesische Staatschef Xi kündigt an, Taiwan notfalls mit Gewalt zurückzuholen. Er reagiert damit auch auf den Druck der eigenen Parteiführung.

Peking. Schon seit einiger Zeit befürchten viele Bewohner Taiwans, dass Chinas Führung den derzeitigen Status der vorgelagerten Insel nicht ewig akzeptieren werde. Der mächtige Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte in den vergangenen Jahren schon mehrfach die Wiedereingliederung Taiwans als sein „zentrales Vorhaben“ bezeichnet. Nun könnte es ernst werden für das bislang de facto unabhängig regierte Taiwan.

In einer Rede in der Großen Halle des Volkes in Peking hat Xi den Anspruch seines Landes auf die Eingliederung Taiwans bekräftigt. Die Wiedervereinigung müsse und werde kommen, betonte Chinas Staatsoberhaupt. Sein Ziel sei zwar eine friedliche Wiedervereinigung. Er behalte sich jedoch die Option auf den Einsatz aller „notwendigen Maßnahmen“ vor. Und das umfasse auch die Anwendung von Gewalt.

Er reagierte damit auf die Neujahrsrede von der in Taiwan demokratisch gewählten Präsidentin Tsai Ing-wen. „Wir sind nicht bereit, unsere Souveränität aufzugeben oder Zugeständnisse hinsichtlich der Autonomie zu machen“, hatte sie gesagt. Ihr Land werde das von China propagierte „Ein Land, zwei Systeme“ nicht akzeptieren und sei „stolz auf seine demokratische Lebensweise“.

Erbe des Bürgerkrieges

De facto ist die dem chinesischen Festland vorgelagerte Insel Taiwan mit ihren 23 Millionen Einwohnern zwar ein unabhängiger Staat mit Demokratie, eigener Verwaltung und eigenem Militär. Auf Betreiben Pekings wird die Insel von den meisten Ländern aber nicht als eigener Staat anerkannt.

Der Konflikt geht auf das Bürgerkriegsende von 1949 zurück. Damals flüchteten die unterlegenen Nationalchinesen (Kuomintang) vor den Kommunisten nach Taiwan. Beide Regierungen reklamieren für sich, Chinas rechtmäßige Führung zu sein.

Bis in die Siebzigerjahre pflegte die Mehrheit der Länder mit Taiwan diplomatische Beziehungen. Taipeh hatte im UN-Sicherheitsrat sogar einen ständigen Sitz. Dann kamen Washington und Peking einander näher. Heute wird Taiwan weltweit nur noch von 17 Ländern offiziell als eigenständiger Staat anerkannt – alle anderen haben auf Druck Pekings die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan aufgegeben. Peking hat zuletzt die Isolation Taiwans nochmals massiv erhöht. Unter anderem wurden Fluggesellschaften und Modeketten aufgefordert, Taiwan als Teil Chinas zu bezeichnen.

Die meisten Firmen beugten sich dem Druck, weil die Volksrepublik mit ihrem gigantischen Markt inzwischen sehr viel wichtiger ist als Taiwan. Was das Pro-Kopf-Einkommen betrifft, ist Taiwan allerdings eines der wohlhabendsten Länder Ostasiens. Zugleich ist allerdings auch Taiwan wirtschaftlich abhängig von der Volksrepublik.

Vor allem die ältere Generation der Menschen in Taiwan hat lange Zeit ebenfalls an der Wiedervereinigung mit dem chinesischen Festland festgehalten – freilich jedoch nicht unter den Bedingungen der KP-Führung in Peking. Inzwischen hat sich die Zahl der Befürworter, die für eine offizielle Lossagung von China sind, deutlich erhöht. Unter jungen Taiwanesen sind die Unabhängigkeitsbefürworter die große Mehrheit.

Xi warnt vor „großer Katastrophe“

Seit 1992 gilt die Formel, dass beide zu „einem China“ gehören. Detailfragen wurden aber nie geregelt. Tsais Vorgänger hatte die Annäherung an China noch gesucht und vor allem wirtschaftliche Verflechtungen gefördert. Vor drei Jahren hat Tsai die Präsidentschaft übernommen. Um Peking nicht zu sehr zu verärgern, tritt Tsai zwar nicht mehr ganz so vehement für die Unabhängigkeit ein, wie sie es als Oppositionspolitikerin getan hatte. Doch eine Annäherung sucht sie nicht. Im Gegenteil: Unter ihrer Ägide rüstet Taiwan auch militärisch auf. So sollen die Militärausgaben 2019 um eine halbe Milliarde Dollar auf etwa elf Milliarden Dollar erhöht werden.

In Peking steht Xi wiederum unter Druck, Taiwans Unabhängigkeitsbestrebungen zu stoppen. Er sei sich sicher, sagte er nun: Dem Großteil der Menschen auf Taiwan sei bewusst, dass die Unabhängigkeit in eine „große Katastrophe“ führen werde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2019)

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