Brexit spaltet nun auch Labour-Opposition

(c) APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
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Sieben Abgeordnete verließen aus Frustration über Positionen der Parteiführung unter Jeremy Corbyn zu Brexit und Antisemitismus die Partei und gründeten eine eigene Fraktion im Unterhaus.

London. Was der britischen Premierministerin, Theresa May, nicht gelungen ist, hat die Führung der oppositionellen Labour Party nun selbst zu verantworten: Aus Frustration und Ärger über die Position der Parteispitze unter Jeremy Corbyn zu Brexit und Antisemitismus traten gestern, Montag, sieben prominente Abgeordnete aus der Partei aus und gründeten mit der Independent Group ihre eigene Fraktion. „Die Politik ist kaputt. Lasst es uns ändern“, sagte einer der Abtrünnigen, der frühere Labour-Wirtschaftssprecher Chuka Umunna.

Die Spaltung mag numerisch geringfügig sein: Nach dem Austritt der sieben Rebellen Chukka Umunna, Luciana Berger, Chris Leslie, Angela Smith, Gavin Shuker, Mike Gapes und Ann Coffey hat Labour nunmehr 249 der 650 Sitze im Unterhaus. Die nächstgrößte Oppositionsgruppe sind die schottischen Nationalisten mit 35 Abgeordneten. Zum Vergleich: Mit 317 stellen die Konservativen Mays die stärkste Fraktion.

Trauma der Thatcher-Ära

Aber in ihrer politischen Bedeutung ist die Trennung der sieben nicht zu unterschätzen. Es ist die gravierendste Spaltung, die Labour seit 1981 erlebt hat. Damals verließen sozialdemokratische Kräfte aus Protest gegen den militanten Linkskurs der Führung die Partei und wurden zu Wegbereitern der Liberaldemokraten. In den folgenden Jahren profitierten vor allem die Konservativen von der Spaltung der Opposition, ein Trauma, vor dessen Wiederkehr etwa Schatten-Schatzkanzler John McDonnell offen warnte: „Der Bruch sicherte damals (Ex-Premierministerin Margaret) Thatcher die Macht.“

Zudem widerlegte die Abspaltung die von der Parteiführung stets beschworene Geschlossenheit von Labour. Insbesondere unter den Abgeordneten besteht offene Kritik an Corbyns Brexit-Kurs. Der Labour-Führer will den EU-Austritt, während etwa Umunna und Smith für eine weitere Volksabstimmung eintreten. Damit treffen sie sich mit vielen gemäßigten Konservativen, und Umunna appellierte gestern auch offen: „Wir laden Sie dazu ein, Ihre Parteien zu verlassen und uns dabei zu helfen, einen neuen Konsens für die Zukunft Großbritanniens zu formulieren.“ Corbyns Reaktion fiel verhalten aus: Er sei „enttäuscht“ über den Austritt.

Neben der zweifelhaften Haltung der Labour-Führung zum Brexit (der Politologe David Bell zur „Presse“: „Corbyn will das Verbrechen, aber ohne seine Fingerabdrücke.“) war der mindestens ebenso dubiose Umgang mit antisemitischen Vorgängen in der Partei ein Hauptmotiv für die Abtrünnigen. Die jüdische Abgeordnete Berger: „Die Partei ist heute institutionell rassistisch. Es macht mich krank.“ Erst am Wochenende war Michael Dugher, ein enger Mitarbeiter von Ex-Premier Gordon Brown, aus der Partei mit den Worten ausgetreten: „Unsere Partei existiert nicht mehr.“

Statt der traditionellen Labour-Führung hat heute eine Gruppe der radikalen Linken das Sagen, die sich auf die Basisbewegung Momentum stützt. Antizionismus und Eintreten für die Rechte der Palästinenser sind fixe Bestandteile ihrer Ideologie. Aus Kritik an Israel wird dabei oft ein Infragestellen des Existenzrechts des Staates und seine Gleichsetzung mit einem Apartheidregime.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2019)

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