May verschiebt wieder ihre Abstimmung

Am Dienstag wird es kein Votum über den Austritts-Deal der Premierministerin geben.
Am Dienstag wird es kein Votum über den Austritts-Deal der Premierministerin geben. APA/AFP/UK PARLIAMENT/MARK DUFFY
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Während die EU-Debatte in London immer mehr zur Groteske verkommt, rechnet Brüssel zunehmend mit dem Schlimmsten.

Vor dem neuerlichen Scheitern im Unterhaus hat die britische Premierministerin Theresa May die Notbremse gezogen. „Ich nehme zur Kenntnis, dass es für den EU-Deal derzeit keine Mehrheit gibt“, sagte sie am Montag vor dem Parlament in London. Doch Notbremse heißt bei May noch lange nicht Kurswechsel: Nach letzten Spekulationen soll die Abstimmung über das Austrittsabkommen nun am Donnerstag erfolgen.

Davor wollen aber die Abgeordneten noch ein Wörtchen mitreden. Montagnacht standen drei Anträge zur Abstimmung: Mehr Zeit für eine Alternatiive, Probeabstimmungen und eine weitere Abstimmung über einen No-Deal-Brexit, wenn in sieben Tage keine Mehrheit gefunden werden kann. Danach sah es weiterhin aus, wenngleich dem Antrag auf Probeabstimmungen die besten Chancen eingeräumt wurden.

Kanzleramtsminister David Lidington, der für die Regierung die Debatte führte und als möglicher Nachfolger Mays gilt, deutete eine Zustimmung zu Probeabstimmungen an. Das hatte er aber auch schon vor einer Woche getan, und war dann von Scharfmachern in der eigenen Fraktion zurückgepfiffen worden. Zu diesen gehört auch die Premierministerin. Die „Times“ veröffentlicht heute Protokolle aus den klar hervorgeht, dass parteipolitische Überlegungen für sie bis zuletzt höher als das Staatsinteresse standen.

Um bei einer dritten Abstimmung über ihren EU-Deal aber eine Mehrheit zu gewinnen, musste May einen hohen Preis bieten. Die Brexit-Hardliner aus ihren eigenen Reihen zeigten sich zuletzt geneigt, den Deal um den Preis von Mays Rücktritt annehmen zu wollen. „Wir brauchen eine neue Führung für die nächste Phase der Verhandlungen“, hieß es aus der European Research Group um Jacob Rees-Mogg.

Noch nicht so weit war hingegen am Montag die nordirische DUP. Sie ist nicht nur die Mehrheitsbeschafferin von Mays konservativer Minderheitsregierung, ihr Verhalten hat wegen der inneririschen Grenze besonderes Gewicht. „Unsere Position ist unverändert“, erklärte die Partei – und brachte einmal mehr Mays Spielablauf zum Scheitern. Gibt es keine Einigung auf einen Brexit-Deal, wird das unkontrollierte Ausscheiden Großbritanniens aus der EU wieder wahrscheinlicher. Der neue Stichtag ist der 12. April – bis dahin haben die EU-27 den Briten Zeit gegeben, um sich zu einigen.

Obwohl dem Land das Wasser bis zum Hals steht, sind die Hardliner aber weiter nicht zu einem Konsens bereit. „Wir wurden auf Grundlage des Versprechens gewählt, unser Land aus der EU zu führen“, sagte Handelsminister Liam Fox. Ein Parlamentsbeschluss, der das Referendum nicht umsetze, werde eine „Sturmflut aufgestauter Frustration der Wähler auslösen“.

Für diese von Brexit-Ultras regelmäßig aufgestellte Behauptung gibt es keine Evidenz. Nach der jüngsten Umfrage betrachten 90 Prozent der Briten den Verlauf der Brexit-Verhandlungen als „nationale Schande“, und deutlich mehr – 34 Prozent – geben der Regierung die Schuld als den Abgeordneten (26 Prozent). Wie im Parlament gibt es aber auch unter der Bevölkerung nur eine Mehrheit: in der Opposition zu allen Optionen.

EU rechnet mit Schlimmstem

Diese Pattsituation ist der Hauptgrund dafür, dass die EU-Kommission den „No Deal“-Brexit mittlerweile als wahrscheinlich einstuft. Die Brüsseler Behörde ließ am Montag wissen, dass die Vorbereitungen auf ein ungeregeltes Ausscheiden der Briten abgeschlossen seien. Das EU-Notprogramm umfasst insgesamt 15 Punkte – von der Gewährleistung den Flug- und Bahnverkehrs, über Fischerei und die Aufrechterhaltung des Handels mit CO2-Emissionen, bis hin zum visafreien Reisen, dem Studentenaustauschprogramm Erasmus und dem Zugang zu Gesundheitsversorgung für in Europa lebende Briten. Für besorgte EU-Bürger wurde unter der Telefonnummer 00800-67891011 eine kostenlose Brexit-Hotline in allen Amtssprachen der EU eingerichtet.

Sollten sich die Befürchtungen der Kommission bewahrheiten, würden die Beziehungen Großbritanniens zur EU nach dem harten Austritt lediglich durch das allgemeine Völkerrechte einschließlich der WTO geregelt. 

AUF EINEN BLICK

Brexit-Fahrplan. Eigentlich sollte Großbritannien am 29. März aus der EU austreten. Angesichts des Streits in London hat die EU London einen Aufschub gewährt. Nimmt das britische Parlament das von Premierministerin May ausgehandelte Austrittsabkommen an, wird der Brexit auf den 22. Mai verschoben. Ansonsten müssen die Briten bis spätestens 12. April die EU über ihr weiteres Vorgehen informieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2019)

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