Präsident al-Sisi sichert sich in einem dubiosen Referendum eine Amtszeit bis 2030 und baute seinen Einfluss auf die Justiz aus.
Tunis/Kairo. Mit einem selbst für ägyptische Verhältnisse beispiellosen Ausmaß an Manipulation, Wählerbestechung und Einschüchterung hat das Regime von Präsident Abdel Fatah al-Sisi über die Ostertage seine Verfassungsänderungen durchgesetzt. Die Höhe der Wahlbeteiligung, die für die Glaubwürdigkeit des Referendums entscheidend ist, haben die Behörden am Dienstagabend offiziell mit 44 Prozent benannt. Die Zustimmung lag nach diesen Angaben bei 88 Prozent.
Damit soll die Wahlbeteiligung höher gewesen sein als beim ersten Verfassungsreferendum (41 Prozent) im März 2011, also kurz nach dem Arabischen Frühling, der ersten wirklich demokratischen Abstimmung in der modernen Geschichte Ägyptens. Damals warteten die Ägypter in langen Schlangen vor den Wahllokalen, anders am vergangenen Wochenende: Es herrschte die bei al-Sisi-Wahlen übliche gähnende Leere.
Die geänderte Verfassung erlaubt dem Ex-Feldmarschall eine Amtszeit bis 2030 und zementiert dessen Kontrolle über die Justiz. Das Militär erhält als „Garant und Beschützer der Verfassung“ erheblich mehr politischen Einfluss. Zudem wird – wie unter Hosni Mubarak – mit dem Senat eine zweite Parlamentskammer geschaffen, deren Mitglieder der Präsident zu einem Drittel bestimmt. Auch das Amt eines Vizepräsidenten wird reaktiviert. Mindestens 25 Prozent aller Parlamentssitze sind künftig Frauen vorbehalten.
Jede Debatte ausgeschaltet
Das Referendum über diese von al-Sisi, Armee und Geheimdienst initiierten Verfassungsänderungen war die bisher bizarrste Prozedur sogenannter demokratischer Willensbildung in Ägypten. Bereits 72 Stunden, nachdem das al-Sisi-ergebene Parlament die 20 modifizierten Artikel mit 531 zu 22 Stimmen durchgewinkt hatte, wurde der dreitägige Volksentscheid angesetzt. Damit sollte jede öffentliche Debatte über das Für und Wider der Verfassungsreform von vornherein ausgeschaltet werden.
Stattdessen wurden die Straßen mit „Ja“-Plakaten gepflastert, „Nein“-Plakate gab es nirgendwo. 34.000 Websites ließen die Sicherheitsbehörden pauschal sperren, um auf die Schnelle eine kleine Internetunterschriftenkampagne gegen das Referendum blockieren zu können. Minibusfahrer berichteten, sie seien von Polizisten gezwungen worden, Leute zu den Wahllokalen zu fahren. Augenzeugen beobachteten, wie nahe den Wahllokalen Lebensmittelpakete an Menschen ausgeteilt wurden, die an der Abstimmung teilgenommen hatten. Andere bekamen ungeniert Geldscheine in die Hand gedrückt. Ähnlich wie bei den al-Sisi-Präsidentschaftswahlen 2014 und 2018 wurden auch diesmal Hurra-Chöre von Wahllokal zu Wahllokal kutschiert.
Ägyptens starker Mann zeigte sich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Wieder einmal hätten die Ägypter die Welt mit ihrem Patriotismus verblüfft, schrieb Präsident al-Sisi auf seiner Facebook-Seite. Dieses wunderbare Ereignis sei durch die Ägypter und ihre übliche Genialität geschaffen worden, fügte er hinzu, „indem sie an dem Referendum teilnahmen und so ihre politischen und verfassungsgemäßen Rechte praktizierten“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2019)