Der spanische Linksblock will regieren - aber mit wem?

Die Konservativen brachen ein, die Rechtspopulisten gewannen weniger Stimmen als erwartet, schafften aber den Sprung ins Parlament.
Die Konservativen brachen ein, die Rechtspopulisten gewannen weniger Stimmen als erwartet, schafften aber den Sprung ins Parlament. (c) APA/AFP/JAVIER SORIANO (JAVIER SORIANO)
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Die Sozialisten rund um Pedro Sanchez haben die Parlamentswahlen gewonnen. Sie konnten sich um 37 Mandate verbessern und lösten die Konservativen mit 123 Sitzen als stärkste Fraktion ab.

Mit Elan betritt Pedro Sanchez die Bühne vor der Parteizentrale der Sozialisten im Zentrum der spanischen Hauptstadt Madrid. Er schaut auf ein Meer aus roten PSOE-Fahnen herunter. Feierstimmung. Sektkorken knallen. "Si se puede", "Yes, we can" rufen seine Anhänger. "Viva Espana y viva el socialismo!" (Es lebe Spanien, es lebe der Sozialismus), raunt die Masse.

In der milden Frühlingsnacht haben sich Hunderte Menschen in der Ferraz-Straße 70 eingefunden. An dem roten Backsteinhaus der Parteizentrale hängt ein sich über drei Stockwerke ausbereitendes Plakat mit Sanchez' Konterfei und dem Wahlspruch "Haz que pase" (Mach, dass es passiert). Und es ist passiert. Sanchez' Sozialisten haben am Sonntag deutlich die spanischen Parlamentswahlen gewonnen. Sie konnten sich um 37 Mandate verbessern und lösten die Konservativen (PP) mit 123 Sitzen als stärkste Fraktion ab. PP-Chef Pablo Casado musste hingegen Verluste von 70 Mandaten einstecken und konnte mit 66 Mandaten nur halb so viele Sitze wie die Sozialisten erreichen. Er gehört zu den großen Verlierern dieser Wahl.

Angst vor konservativer Regierungskoalition geschürt

"Die Zukunft hat gewonnen, die Vergangenheit hat verloren", ruft Sanchez seinen Anhängern entgegen. Sanchez' Strategie, die Angst vieler Spanier vor einer konservativen Regierungskoalition mit den Rechtspopulisten von Vox zu schüren, ging auf. Dabei konnte er nicht nur seine eigenen Wähler mobilisieren, sondern auch viele Wähler vom wahrscheinlichen Koalitionspartner, der linkspopulistischen Allianz Unidas Podemos, für sich gewinnen.

Auch Alejandra Garcias Herz schlägt eigentlich für die linke Podemos-Bewegung. Doch am Sonntag gab die 28-jährige Psychologin aus Madrid den Sozialisten ihre Stimme: "Die Gefahr, dass sich die drei Rechtsparteien zusammentun, um Spanien zu regieren, war zu groß. Ich dachte, eine starke PSOE ist das beste Gegenmittel", erklärte sie der APA nach ihrer Stimmenabgabe in der Aguirre-Schule in Madrid. So wie Alejandra Garcia haben nicht wenige Spanier gedacht. Unidas Podemos musste ordentlich Federn lassen, sackte von 71 auf 42 Sitze ab. Die meisten Wähler wanderten zu den Sozialisten ab.

Komplizierte Regierungsbildung

Das stellt Sanchez vor ein Problem. Er ist weit entfernt von einer absoluten Mehrheit von 176 Sitzen und hätte schon auch eine starke Podemos-Partei brauchen können. Die hohen Verluste des potenziellen Koalitionspartners könnten die Regierungsbildung verkomplizieren. "Wir sind mit dem Ergebnis nicht zufrieden, es ist aber ausreichend, um unser Ziel zu erreichen. Wir sind als politische Kraft unentbehrlich für die Bildung einer linken Regierung in Spanien", erklärte Podemos-Chef Pablo Iglesias nach Bekanntgabe der Endergebnisse im Madrider Goya-Theater. So richtig wollte er es wohl selber nicht glauben. Und zu Recht befürchtet er eine mögliche Allianz zwischen Sanchez und den rechtsliberalen Ciudadanos von Alberto Rivera.

Sanchez zumindest ließ auf seiner Open-Air-Wahlfeier in der Nacht auf Montag die Tür für eine mögliche Koalition mit den Ciudadanos offen. Und das, obwohl die Masse vor der Parteizentrale immer wieder ein "Nicht mit Rivera" forderte. Sanchez ignorierte die Rufe mit einem Lächeln und erklärte schwammig, er werde nur mit demokratischen, verfassungskonformen und proeuropäischen Parteien eine Koalition bilden. Zu verführerisch sind die 57 Sitze der Ciudadanos, um ohne die Duldung der katalanischen Separatisten, die bei einer Koalition mit Podemos eben so notwendig wären, eine absolute Mehrheit zusammenzubekommen.

Für Rechtspopulisten erst „der Anfang"

Doch Ciudadanos-Chef Albert Rivera machte in der Nacht klar, dass er sich bereits als Oppositionsführer sieht. "Heute gab es eine schlechte Nachricht. Sanchez und Iglesias werden eine Regierung mit den Separatisten bilden." Seine Augen sind bereits auf die nächsten Wahlen in vier Wochen gerichtet, wenn in Spanien am 26. Mai parallel zu den Europawahlen auch landesweite Gemeinde- und zahlreiche Regionalwahlen stattfinden.

Bei denen rechnen sich auch die Rechtspopulisten von Vox große Chancen aus. Am Sonntag erreichte die erst 2013 gegründete Partei aus dem Stand 24 Sitze im Parlament. Damit blieb die ausländerfeindliche Rechtsaußenpartei zwar hinter ihren Erwartungen zurück. Doch Vox-Chef Santiago Abascal stellte vor Hunderten von Anhängern auf dem Madrider Margaret- Thatcher-Platz klar, dass das nur "der Anfang ist". "Man hat versucht, uns zum Schweigen zu bringen, verbot uns, an den Fernseh-Debatten teilzunehmen. Doch jetzt haben wir eine Stimme im Parlament. Wir sind hier, um zu bleiben", versicherte der 43-jährige Vox-Führer stolz seinen Anhängern.

Neben dem Konflikt mit Kataloniens Separatisten polarisierte und mobilisierte vor allem das Erstarken der neuen Rechten die Spanier beim Urnengang wie kaum zuvor. Mit 75 Prozent gab es bei der Wahlbeteiligung fast einen historischen Rekord und lag fast neun Prozent über der Beteiligung bei den letzten Parlamentswahlen im Juni 2016.

(APA)

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