Neue US-Drohnenbasis in explosivem Umfeld

U.S. Air Force
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Nahe der Wüstenstadt Agadez im Sahelstaat Niger nimmt in Bälde ein nagelneuer Stützpunkt der U.S. Air Force den Betrieb auf. Drohnen sollen von dort aus Nordwestafrika überwachen, wo viele Dschihadistenbanden aktiv sind. Die Bauarbeiten waren extrem hart. Und die Skepsis der lokalen Bevölkerung ist alarmierend.

Im westafrikanischen Sahel-Staat Niger, laut UN-Entwicklungsindex das ärmste und unterentwickeltste Land der Welt, ist dieser Tage ein neuer großer Stützpunkt der US-Streitkräfte praktisch fertiggestellt worden. Wie US-Militärmedien berichten, sind die Arbeiten an der Piste der sogenannten „Niger Air Base 201" am Rand der Wüstenstadt Agadez im Zentrum des Landes beendet. Dennoch solle es noch mehrere Monate dauern, bis von dort aus reguläre Operationen stattfinden können, heißt es. Und diese werden in erster Linie Drohneneinsätze sein.

US-Militärs sind bereits seit vielen Jahren in der ehemaligen französischen Kolonie aktiv, etwa als Ausbildner für die nigrischen Truppen. Vor allem aber operieren bisher von einem Stützpunkt nahe der Hauptstadt Niamey ganz im Westen des Landes aus Drohnen, und seltener Flugzeuge, um über der Sahelzone sowie den umliegenden Gebieten aufzuklären, grob gesagt von Algerien bis Nigeria, vom Tschad bis Mauretanien. Die Franzosen machen das ebenfalls von Niamey aus.

In der riesigen Region sind Dschihadisten aktiv, die immer wieder lokale und fremde Militärs sowie die Bevölkerung in der Region angreifen, Geiseln nehmen und Anfang 2013 in Mali beinahe die Macht übernommen hätten, bevor sie durch eine französisch geführte Intervention gestoppt und zerschlagen wurden.

AFP

Gegen die Islamisten werden auch bewaffnete Drohnen eingesetzt, seit dem Vorjahr auch bei Aktionen im Niger selbst, nachdem die Regierung in Niamey die Erlaubnis dazu erteilt hatte. Dem war ein Überfall von Dschihadisten auf eine US-nigrische Patrouille im Oktober 2017 vorangegangen, bei dem auch vier US-Soldaten fielen.

Weltkulturerbe, Durchgangstor für illegale Migranten

Gegen 2015 fiel der Beschluss des US-Militärs samt Zustimmung der nigrischen Regierung, eine neue Schwerpunktbasis für Drohnen in der Mitte des Nigers zu bauen, der Bau begann 2016. Die Basis bei Niamey, wo zuletzt angeblich um die 800 Amerikaner waren, bleibt bestehen. Insgesamt können künftig auch Libyen und die besonders heikle Vierländer-Grenzregion zwischen Niger, dem Tschad, Nigeria und Kamerun mit dem Tschadsee im Zentrum besser überwacht werden. In dieser Gegend ist vor allem der afrikanische Ableger des IS aktiv.

Basis 201 - hier ein Link auf Google Maps - gehört formal der kleinen nigrischen Luftwaffe und befindet sich gleich neben dem zivilen Flugfeld von Agadez (vermutlich rund 120.000 Einwohner), deren historisches Zentrum zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Die Stadt ist auch ein Hauptverkehrsknotenpunkt für illegale Migranten mit Ziel Europa.

ICRC/JDD

Die USA besitzen exklusive Nutzungsrechte für 20 Prozent des Areals von Basis 201, dessen Kreisdurchmesser mit etwa 15 Kilometern angegeben wird. Wie viele Drohnen und sonstige Fluggeräte hier dauerhaft stationiert werden, ist geheim, ebenso der Umfang möglicher Kooperation mit den Franzosen. Allerdings wird die Personalstärke seitens des US Africa Command, des für Afrika außer Ägypten zuständigen Regionalkommandos des US-Militärs mit Sitz just in Stuttgart (Deutschland), mit etwa 600 Mann angegeben, die dort jeweils sechs Monate verbringen.

Google

Als Grund für das weitere Zuwarten bis zum Regelbetrieb auf der Basis werden seitens des Africa Commands vor allem die nötigen technischen und prozeduralen Absprachen mit den nigrischen Behörden, vor allem der Luftraumkontrolle, angegeben. „Wir arbeiten eng mit der Regierung von  Niger zusammen, um den Nigrern bei den Herausforderungen in punkto Luftverkehrskontrolle und Flugfeldsicherheit zu helfen", sagt Oberstleutnant Dustin Hart, Sprecher der US-Luftwaffe.

Harte Umstände erhöhten die Kosten

Basis 201 ist freilich wiederholt Gegenstand von Kritik geworden. So hätte sie schon 2017, womöglich gar Ende 2016 aktiv sein sollen, doch erwiesen sich vor die extremen Umstände und der Mangel an Infrastruktur in der Wüstenei als Bremser. Also explodierten die Kosten: Anfangs rechnete man mit 50 Millionen Dollar (aktuell 45 Mio. Euro). Mittlerweile sind es 100 bis 110 Millionen Dollar, dazu kommen jährliche Betriebs- und Pachtkosten von mindestens 30 Millionen - doch dabei schließen die Schätzungen der Air Force Berichten zufolge weder den Sold für die Mannschaft noch den Treibstoffverbrauch der Fluggeräte ein.

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Jedenfalls ist Air Base 201, das wird betont, das größte Flugfeldbauprojekt in der bisherigen Geschichte der US-Luftwaffe, das mit eigenen Leuten als Arbeiter durchgeführt wurde - also ohne zivile Firmen, ohne Baueinheiten anderer Teilstreitkräfte und im wesntlichen ohne Nutzung bestehender Anlagen. Es soll sogar vom Umfang her größer sein als der lange geheim gehaltene US-Stützpunkt bei Al-Dhafra (Vereinigte Arabische Emirate) und die ebenfalls „Air Force only" gebaute einstige Basis Phan Rang in Südvietnam. Allerdings werden bzw. wurden von diesen beiden aus auch Kampfflugzeuge in großem Umfang eingesetzt, was in Agadez primär nicht beabsichtigt wird.

Hier ein interessantes Video vom Bau der Basis, Frühjahr 2017:

„Es ist auch eine der abgelegensten US-Militärflugbasen, die je gebaut wurden", sagt Dan Gettinger, Experte für Drohnenbau und Drohneneinsätze am Bard College im US-Staat New York. „Die meisten Drohnenstützpunkte in Afrika sind Annexe bestehender Flughäfen oder Flugfelder, der in Agadez aber nicht. Der Projektumfang ist also riesig."

„Little America" neben skeptischen muslimischen Locals

Berichten zufolge ist die Basis bei aller klimatischer Härte (Jahresmittel 28 Grad, Mittel der Höchsttemperatur 35,8°, Werte von 40 bis 50 Grad sind nicht selten, Regen dafür schon, aber wenn, kommt oft eine Sintflut) und Abgelegenheit nicht eben spartanisch eingerichtet, sondern ein typisches „Little America" inklusive Coke, Ketchup und Klimaanlage.

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Allerdings befindet sich dieses Klein-Amerika auch so in einem „heißen" Umfeld, das der Garnison noch einige Probleme bereiten könnte, wie Beobachter argwöhnen. So dürften Attacken von Islamisten nur eine Frage der Zeit sein. Im Nachbarland Mali etwa wurden französische Truppen und UNO-Blauhelme wiederholt angegriffen. Erst Mitte Mai hat sich der IS zu einem Überfall bekannt, bei dem 28 nigrische Soldaten getötet wurden - es gilt als schwerer Rückschlag für die auch von EU-Militärs unterstützten Versuche, die Lage im Land mit seinen (vermutlich) 22 Millionen Menschen zu sichern.

Vor allem aber ergaben Umfragen unter den Bewohner der Gegend, namentlich von Agadez, ein doch recht ungünstiges Meinungsbild: So zeigte eine Umfrage vom Juli 2012, dass 83 Prozent der Bürger in Agadez Amerikaner und Europäer als Bedrohung traditioneller moslemischer Werte sehen. Fast 50 Prozent waren demnach überzeugt, dass die USA primär den Islam, nur sekundär den Terrorismus bekriegen würden. Und etwa 40 Prozent gaben an, sie fänden Gewalt im Namen ihrer Religion für okay.

UNHCR

Angeblich haben US-Wachen schon 2016 einen Angriff auf die Baustelle der Air Base 201 vereitelt, indem sie ihre mit Laserpointern versehenen Gewehre auf Männer richteten, die in Fahrzeugen heranrasten. Als die Insassen merkten, dass Laserstrahlen sie als Ziele erfasst hatten, drehten die Fahrzeuge ab. 2010 waren sieben Mitarbeiter einer französischen Uranmine nördlich von Agadez von Islamisten entführt worden. 2013 starben bei Selbstmordanschlägen auf Armeeposten in Agadez 23 Soldaten.

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