Das Populisten-Bündnis zwischen Lega und Fünf Sterne hängt an einem seidenen Faden, Streit gehört zur Tagesordnung. Angesichts eines möglichen EU-Verfahrens droht der Regierungschef den Parteien nun mit Rücktritt.
Rom/Wien. Zwischen Lega und Fünf-Sterne-Bewegung kriselt es schon seit Monaten. Doch erst der fulminante Sieg von Matteo Salvinis Lega-Rechtspopulisten bei der EU-Wahl hat das Koalitionsklima so richtig vergiftet: Die Kommunikation zwischen den beiden Regierungspartnern in Rom beschränkt sich derzeit auf Beschimpfungen. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem die EU ein Defizitverfahren einleiten könnte – und somit ein neuer, kaum finanzierbarer Glaubwürdigkeitsverlust Italiens an den Finanzmärkten droht.
So klingt es wie ein letzter, verzweifelter Ordnungsruf, wenn am späten Montagnachmittag Premier Giuseppe Conte vor die Presse tritt– bezeichnenderweise nach Schließung der Börsen. Laut Medien will er den Regierungsparteien öffentlich ein Ultimatum stellen: Der parteilose Regierungschef fordert von Lega und Fünf Sterne „ein klares Mandat zum Dialog für die Abwendung eines Defizitverfahrens“. Ansonsten werde er sein Amt niederlegen. Bis Freitag sollen die zerstrittenen Partner Zeit haben, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen. Denn die Zeit drängt: Am Mittwoch dürfte die EU-Kommission auf Italiens Budgetpläne reagieren, möglicherweise wird sie auf einen neuen Sparplan drängen und ansonsten ein Strafverfahren einleiten.
Kampf der Dickschädel
Italien steht wegen seiner mangelnden Haushaltsdisziplin international in der Kritik: Laut EU-Kommission ist Italiens Staatsverschuldung von 131,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts im Jahr 2017 auf 132,2 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Heuer wird mit 133,7 und für 2020 mit 135,2 Prozent gerechnet. Ein Grund sind die großzügigen Ausgabenpläne. Die Populistenkoalition war vor genau einem Jahr mit dem Versprechen an die Macht gekommen, das lahmende Wachstum und die fehlende Kaufkraft mit großzügigen staatlichen Finanzspritzen anzukurbeln. Die Fünf-Sterne-Bewegung versprach ein Grundeinkommen, die Lega Steuersenkungen in Form einer Flat Tax. Diese Maßnahmen kann Rom jedoch nicht finanzieren ohne die Euro-Stabilitätsregeln zu verletzen. Wobei die Regierungspartner nie ein Geheimnis daraus gemacht haben, wie wenig sie von EU-Defizitgrenzen halten.
Contes Warnung scheint sich diesmal vor allen an den mächtigen Salvini zu richten, der gerade heftig auf die Umsetzung seiner – viel zu teuren – Flat Tax pocht. Ob der Lega-Chef einlenken wird, ist offen: Drohende EU-Strafmaßnahmen scheinen ihn jedenfalls wenig zu beeindrucken: „Wir werden sehen, wer den größeren Dickschädel hat“, sagt er.
Salvini hat seit der EU-Wahl kein Geheimnis daraus gemacht, dass die Lega den Ton in der Regierung angeben wird – und die Flat Tax Priorität haben müsse, auch wenn die Fünf-Sterne-Bewegung wenig davon hält. Immerhin hatte der Innenminister seiner Lega am 26. Mai ein Rekordergebnis beschert: 34 Prozent wählten die Salvini-Partei, bei der Parlamentswahl im März 2018 hatten nur 17 Prozent der Lega ihre Stimme gegeben. Dafür verloren die Fünf-Sterne fast die Hälfte ihrer Wähler – was ihre Position im Machtpoker mit dem immer dominanteren Regierungspartner weiter schwächt.
Und das ist das eigentliche Dilemma für die „Grillini“: Bleiben sie zähneknirschend in der Regierung mit der – inzwischen – verhassten Lega, dann wird sie Salvini immer stärker an den Rand drücken. Verlassen sie hingegen die Koalition, dann droht ihnen bei möglichen vorgezogenen Wahlen im Herbst der politische Untergang. Salvini braucht nur abzuwarten – als Sieger wird er auf jeden Fall hervorgehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2019)