EU verurteilt Provokationen Ankaras

Erdogan gedachte am Montag der Opfer des gescheiterten Putschs 2016. Nun droht ihm Ungemach in der Außenpolitik.
Erdogan gedachte am Montag der Opfer des gescheiterten Putschs 2016. Nun droht ihm Ungemach in der Außenpolitik.REUTERS
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Die Außenminister der Union beschlossen wegen der türkischen Erdgas-Bohrungen vor Zypern eine Reihe von Sanktionen. Die EU appelliert an Teheran, das Atomabkommen einzuhalten.

Brüssel/New York. Nicht nur zwischen Ankara und Washington brauen sich nach dem Eintreffen der ersten russischen S-400 Luftabwehrraketen in der Türkei gewaltige Gewitterwolken zusammen – auch zwischen Brüssel und Ankara könnte es schon bald gehörig krachen. Grund sind die türkischen Erdgas-Probebohrungen vor der Küste Zyperns, die die EU als illegal betrachtet.

Beim gestrigen EU-Außenministertreffen standen die türkischen Probebohrungen denn auch weit oben auf der Agenda, und die Ministerrunde beschloss eine Reihe von Sanktionen gegen die Türkei: weniger Finanzhilfe, weniger Kredite von der Europäischen Entwicklungsbank, Aussetzung von Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen.

Wie Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg erklärte, habe die EU die Besetzung Nordzyperns durch die Türkei niemals anerkannt, daher stehe sie auch hinter dem Wunsch Zyperns, selbst über seine Ressourcen zu bestimmen: „Wir stehen absolut hinter Zypern“, betonte Schallenberg. Auch der deutsche Europastaatsminister Michael Roth erklärte: „Die Provokationen der Türkei sind für uns alle völlig inakzeptabel.“

Zypern betrachtet ein Gebiet bis zu 200 Seemeilen um die seit 1974 geteilte Insel – die sogenannte ausschließliche Wirtschaftszone – als sein Einflussgebiet. Dennoch will die Türkei an ihren Erdgas-Bohrungen in dem Gebiet festhalten, wie Außenminister Mevlüt ?avuşoğlu erst am Sonntag erneut unterstrichen hat.

Irans Bedingungen für Dialog

Weiteres großes Thema beim gestrigen Außenministertreffen war der Atomkonflikt mit dem Iran. Obwohl Teheran zuletzt mit der Anreicherung von Uran über den im Wiener Atomabkommen erlaubten Grad hinaus begonnen hat, wollen die EU-Staaten den Dialog mit dem Iran aufrechterhalten. Der britische Außenminister Jeremy Hunt sieht noch immer Chancen, das Abkommen zu retten, denn das Land sei „noch immer gut ein Jahr davon entfernt, eine Atombombe entwickeln zu können. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian erklärte, die Europäer müssten Einigkeit demonstrieren, wenn sie das Wiener Atomabkommen retten wollten.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat eine Serie von Gesprächen zur Lösung des Atomstreits mit dem Iran angekündigt. In der kommenden Woche werde er mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani sowie mit Donald Trump und Wladimir Putin sprechen, sagte er. Man habe in den vergangenen Wochen das Schlimmste verhindern können – auch „Überreaktionen“ des Iran.

Rohani erklärte in einer am Sonntag im TV übertragenen Rede, unter bestimmten Bedingungen sei sein Land zu neuerlichen Verhandlungen mit den Amerikanern bereit. Diese Bedingungen sind: Beendigung des wirtschaftlichen Drucks sowie der Sanktionen und Rückkehr in das Wiener Abkommen: „Wenn das geschieht, sind wir bereit, heute, sofort und an jedem Ort Gespräche mit den Amerikanern zu führen.“ Trump will ein neues Atomabkommen mit viel schärferen Beschränkungen – auch des iranischen Raketenprogramms – aushandeln.

Die EU-Staaten riefen beide Seiten dazu auf, nach einem Weg zu suchen, um der Eskalation ein Ende zu setzen.

Was tut Zarif in New York?

Der iranische Außenminister Mohammed Javad Zarif ist derweil in New York eingetroffen, um an einer Sitzung des Wirtschafts- und Sozialrats der UNO teilzunehmen. Sein USA-Besuch nährte sofort Spekulationen, Zarif könnte ein iranisch-amerikanisches Gipfeltreffen am Rande der UNO-Generalversammlung im September sondieren. Rasch vergessen ist, dass die US-Regierung Zarif noch vor einer Woche auf eine schwarze Liste setzen wollte und erwog, ihn gar mehr nicht in die Vereinigten Staaten einreisen zu lassen.

AUF EINEN BLICK

EU-Außenpolitik. Die türkischen Erdgas-Bohrungen vor der Küste Zyperns, Rettungsversuche für das Atomabkommen mit dem Iran sowie der Umgang mit der Seenotrettung im Mittelmeer waren wichtige Themen, die die Außenminister der EU bei ihrem gestrigen Treffen in Brüssel diskutierten. Der Türkei zeigten sie die gelbe Karte, mit Iran wollen sie im Gespräch bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2019)

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