Björn Höcke als Spaltpilz der Rechtspopulisten

Björn Höcke: Der 47-jährige Ex-Geschichtslehrer ist die Galionsfigur der völkisch-national ausgerichteten AfD im Osten Deutschlands und ein Spaltpilz für die Rechtspopulisten.
Björn Höcke: Der 47-jährige Ex-Geschichtslehrer ist die Galionsfigur der völkisch-national ausgerichteten AfD im Osten Deutschlands und ein Spaltpilz für die Rechtspopulisten. (c) imago images / Steve Bauerschmidt (Steve Bauerschmidt via www.imago-images.de)
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Die AfD-Galionsfigur im Osten betreibt Revisionismus und Personenkult. Der West-AfD gilt er als zu extrem.

Wien/Berlin. Wären Umfragen allein ein Indikator für den Erfolg einer Partei, stünde die AfD (Alternative für Deutschland) prächtig da. Vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen am 1. September und in Thüringen Ende Oktober bescheinigen sie den Rechtspopulisten mehr als 20 Prozent und den zweiten Platz hinter der CDU – mit der Perspektive, die Christdemokraten in deren Hochburg Sachsen sogar zu überholen.

Doch die AfD bietet wieder einmal ein Bild der Zerstrittenheit. Im Westen, in den Landesverbänden Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, drohen Turbulenzen und neue Abspaltungen. Im hohen Norden, in Schleswig-Holstein, dreht sich die Kontroverse um eine umstrittene neue Vorsitzende, die die Parteispitze in Berlin am liebsten loswerden will. In Nordrhein-Westfalen, der mitgliederstärksten Landesgruppe, sorgten tumultartige Szenen um einen Vergleich zwischen NS-Propagandaminister Joseph Goebbels und Björn Höcke, Thüringens AfD-Chef, für den Abbruch des Parteitags.

Immer wieder Björn Höcke: Der 47-jährige Ex-Geschichtslehrer ist die Galionsfigur der völkisch-national ausgerichteten AfD im Osten Deutschlands und ein Spaltpilz für die Rechtspopulisten. Einmal polemisierte er gegen die „Erinnerungskultur“ und das Holocaust-Mahnmal in Berlin, einmal gegen die „Marionetten der Siegermächte“. Mit rassistischen Argumenten wettert er gegen Migration. Er betreibt Revisionismus und hat den radikalen „Flügel“ mit aus der Taufe gehoben, aus interner Opposition zum AfD-Mitgründer Bernd Lucke, der der Partei längst den Rücken gekehrt hat – wie dessen Nachfolgerin Frauke Petry. Beide sind im Unfrieden geschieden.

Aller Skandale und Parteiausschlussverfahren zum Trotz hat sich Höcke einstweilen in der Partei gehalten. Co-Parteichef Alexander Gauland gab ihm stets Rückhalt, und mit Fraktionschefin Alice Weisel hat er einen Burgfrieden geschlossen. Beim von rechter Folklore geprägten Kyffhäusertreffen in seiner Wahlheimat Thüringen hat Höcke kürzlich mit seiner Kritik an der Parteispitze indes über die Stränge geschlagen. Unter Fahnenschwenken und Höcke-Jubelrufen war er in die Halle gezogen, wo er erst ein Video präsentierte, das ihm den Vorwurf des Personenkults einbrachte. Er ließ eine Sektflasche für die Agenten des Verfassungsschutzs kreisen, die die AfD überwachen. Und schließlich putschte er die Anhänger in einer demagogischen Rede gegen Parteischiedsgerichte und für eine Neuzusammensetzung des Bundesvorstands auf.

Warnung vor Unterwanderung

Gauland plädierte in einem Appell zwar für Mäßigung und Professionalisierung. „Unser Hauptanliegen besteht nicht darin, einen Raum zu schaffen, in dem jeder alles sagen kann.“ Sein Horrorszenario wäre eine Spaltung in West- und Ost-AfD nach dem CDU/CSU-Modell. „Wie sollen wir Deutschland retten, wenn wir im Ruf stehen, nicht einmal den eigenen Laden zusammenhalten zu können?“

In der West-AfD regt sich jetzt jedenfalls Widerstand gegen Höcke und seine Anhänger. Zunächst wurde ein Brief publik, im dem Co-Vorsitzender Jörg Meuthen vor einer Unterwanderung durch den extrem rechten „Flügel“ warnt. „Wir sagen sehr klar: Die AfD ist und wird keine Björn-Höcke-Partei“, heißt es in einem Aufruf unter dem Titel „Für eine starke und einige AfD“, den rund 100 Funktionäre aus der meist zweiten Reihe unterzeichnet haben. Höcke habe die innerparteiliche Solidarität verletzt und sei den Wahlkämpfern in den Rücken gefallen. Sie forderten ihn offen zur Kandidatur für den Vorsitz beim AfD-Parteitag Ende November auf – mit dem Kalkül, ihn durchfallen zu lassen.

Zum Auftakt des Landtagswahlkampfs in Brandenburg versuchte Jörg Meuthen in Cottbus die Wogen zu glätten: „Wir lassen uns nicht spalten.“ Die Mitglieder feierten indes mit Sprechchören Höcke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2019)

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