Neues Kabinett. In Paris hat der Reigen um die wichtigsten Regierungsämter begonnen. Aus der Nominierung des Premiers und der wichtigsten Minister lassen sich der Kurs und das Tempo ablesen.
Paris. Noch am Tag seines Amtsantritts, dem 15. Mai, wird der gewählte Präsident François Hollande den Premierminister ernennen und ihn mit der Bildung einer Regierung beauftragen. An Bewerbern mangelt es nicht. Da jedoch die Linke seit 2002 das Land nicht mehr regiert hat, sind die Kandidaten mit Ministererfahrung meist schon ältere Semester. Hollande aber hat eine Verjüngung und eine Feminisierung versprochen: Das Ministerkabinett soll zur Hälfte aus Frauen bestehen. Selbstverständlich weiß der neue Präsident seit Langem, wer sein Premierminister sein wird. Doch der Name bleibt bis zur Amtsübergabe ein Staatsgeheimnis. Hinsichtlich seiner Auswahlkriterien hat er bereits verraten, es müsse ein Sozialist sein und jemand, der ihn selber und die Parlamentarier, mit denen er zusammenarbeiten müsse, sehr gut kennt. Die Talentsuche kann nun zu einem amüsanten Gesellschaftsspiel werden.
Zwei Namen von Favoriten für den Posten des Regierungschefs zirkulieren aber: Martine Aubry ist als sozialistische Parteichefin fast natürliche Anwärterin. Die Tochter des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors ist auch Bürgermeisterin der nördlichen Großstadt Lille. Sie ist den Franzosen durch die Einführung der 35-Stunden-Woche bekannt; und aus demselben Grund längst nicht allen im positiven Sinne. Dafür bringt sie eine lange Erfahrung als mehrfache Ministerin unter Lionel Jospin – Hollandes politischem Mentor – mit.
Weit weniger bekannt ist der zweite Anwärter, Jean-Marc Ayrault, der Bürgermeister von Nantes im Westen Frankreichs. Als bisheriger Fraktionsvorsitzender der Sozialisten in der Nationalversammlung kennt er den Parlamentsbetrieb und die Abgeordneten aller Parteien bestens. Wie Hollande, mit dem er befreundet ist, hat er das Image eines Provinzpolitikers, das zurzeit im Lande sehr beliebt zu sein scheint.
Kampagnen-Manager werden Minister
Bei den wichtigen Ministerposten ist davon auszugehen, dass Hollandes politische Leibgarde während der Kampagne nicht leer ausgehen wird. So dürfte Kommunikationschef Manuel Valls neuer Innenminister werden. Viele sähen ihn sogar an der Spitze, doch mit 49 Jahren ist er wahrscheinlich zu jung. Zwei Kampagnen-Direktoren sind als mögliche Außenminister im Gespräch: der frühere Europaminister Pierre Moscovici sowie ein ehemaliger Premierminister unter François Mitterrand, Laurent Fabius. So gut wie sicher ist, dass Hollandes langjähriger Freund und Mitstreiter Michel Sapin das Wirtschafts- und Finanzministerium erben wird. Hollandes Exrivale aus den Vorwahlen, Arnaud Montebourg, würde nur zu gern Justizminister werden. Im Wahlkampfteam waren aber auch mehrere weibliche Talente aus den Reihen der Sozialisten aufgefallen: Aurélie Filipetti, Marisol Touraine, Delphine Batho und Nadjat Vallaud-Belkacem können alle auf Regierungsämter hoffen.
Natürlich darf bei der Postenverteilung auch Hollandes Expartnerin, die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal, nicht leer ausgehen. Sie hat es auf den Vorsitz der Nationalversammlung abgesehen. Dazu aber müsste die Linke erst die Wahlen der Abgeordnetenkammer am 10. und 17. Juni gewinnen.
Bleibt noch die Frage, wer eventuell von den Grünen Einzug in die Regierung hält: Eva Joly, Parteichefin Cécile Duflot oder der Apparatschik Jean-Vincent Placé? Jean-Luc Mélenchon von der Linksfront hat bereits eine Beteiligung abgelehnt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2012)