Die Krise treibt Skeptiker in die EU

Die Arche aus Brüssel
Die Arche aus Brüssel(c) Illustration: Die Presse / Helge Schalk
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Irland könnte laut einer neuen Umfrage nun doch Ja zum EU-Vertrag sagen. Island will 2009 den Antrag stellen und 2011 EU-Mitglied werden, Schweden und Dänemark - eines der EU-kritischsten Länder - drängen in den Euro.

DUBLIN/WIEN. Die heraufdämmernde Wirtschaftskrise macht es möglich: Das Image der Europäischen Union als sperrige, bürokratische Institution wird von Sehnsüchten nach ihrer übergeordneten Schutzfunktion abgelöst. Am augenscheinlichsten ist das in Irland, wo sich dieser Tage nach einer neuen Umfrage der „Irish Times“ erstmals wieder ein Ja zum EU-Vertrag abzeichnet. Eine zweite, positive Abstimmung wird damit für die unter Druck geratene Regierung unter Brian Cowen greifbar und möglich.

Unter Voraussetzungen, wie jener, dass Irland weiterhin ständig mit einem eigenen Kommissar in Brüssel vertreten ist, würden derzeit 43 Prozent der Bevölkerung mit Ja für den EU-Vertrag stimmen und nur noch 39 Prozent dagegen. Werden die Unentschlossenen nicht berücksichtigt, ergäbe sich laut dem Institut TNS sogar eine klare Mehrheit von 52,5 Prozent für den EU-Vertrag. Die Umfrage zeigt eine deutliche Verbesserung der Stimmung. Denn im Juli haben noch 62 Prozent der Iren in einer Umfrage des Instituts Red-C erklärt, sie würden im Falle eines zweiten Referendums mit Nein stimmen.

Außenminister Micheál Martin spricht im „Presse“-Interview offen aus, dass die Finanzkrise zum Stimmungswandel beigetragen habe. „Die Iren sehen, was Island passiert ist. Und sie sagen sich: Wären wir allein gewesen, wäre Irland womöglich etwas Ähnliches passiert.“

Diese Überlegung treibt derzeit auch die von Martin angesprochenen Isländer an, ihre Haltung gegenüber der EU zu überdenken. Die Insel im Nordatlantik, die durch die Finanzkrise arg in Mitleidenschaft gezogen wurde, hat überraschend schnell einen Zeitplan für den eigenen EU-Beitritt vorgelegt. Das Land, in dem zuletzt nur Politiker mit einer ausdrücklichen Anti-EU-Haltung Chancen auf Erfolg hatten, will 2009 den Antrag auf Mitgliedschaft stellen und 2011 beitreten. Die Zustimmung in der Bevölkerung wäre der Regierung für den Weg in die Europäische Union derzeit sicher. Sie ist in den vergangenen Monaten von 50 Prozent (vor der Finanzkrise) auf nun 70 Prozent gestiegen.

„Konsequenz aus Euro-Nein“

In Dänemark, einem der EU-kritischsten Länder, das sich bisher geweigert hat, bei der europäischen Sicherheitspolitik und beim Euro mitzuwirken, wird ebenfalls ein Stimmungswandel offensichtlich.

Im Jahr 2000 hat die Bevölkerung gegen die Gemeinschaftswährung gestimmt. Das Thema Euro galt danach lange als Tabu. Doch nun will Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen die Gunst der schweren Stunde nutzen und die Bevölkerung nochmals abstimmen lassen. Das Referendum soll 2009 oder spätestens 2010 stattfinden. „Erstmals kann die Bevölkerung sehen, dass das Nein zum Euro Konsequenzen hat“, sagt Rasmussen mit Hinweis auf die jüngsten Turbulenzen der Dänischen Krone. Die dänische Notenbank musste entgegen dem Trend in der Euro-Zone den Leitzins im vergangenen Monat gleich zweimal erhöhen.

Kaum anders ist das Stimmungsbild in Schweden, das 2003 ebenfalls den Euro abgelehnt hatte. Die schwedische Krone ist in den letzten Monaten unter Druck geraten. Auch hier wirbt die Regierung nun mehr oder weniger unverhohlen für die stabilere Europawährung. In unsicheren Zeiten wäre es beruhigender, zu den Euro-Ländern zu gehören, so Premierminister Fredrik Reinfeldt.

Der Drang, sich in sicheren Zeiten wieder an die Schutzfunktion der Europäischen Union zu erinnern, ist freilich kein neues Phänomen. In Zeiten der Rezession ist Europa stets beliebter gewesen. Das war in Großbritannien so, als sich das Land 1975 nach einer langen Phase der Europaskepsis und innenpolitischen Querelen in einem Referendum für einen Verbleib in der Europäischen Gemeinschaft entschied. Zwei Drittel der Briten (67 Prozent) stimmten damals für die Mitgliedschaft. Und es war so in Dänemark 1993, als das Land nach einem klaren Nein bei einer Volksabstimmung im zweiten Anlauf doch noch den Maastricht-Vertrag absegnete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2008)

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