Pisa-Studie: Internet macht Europas Schüler nicht smarter

(c) Clemens Fabry
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Bildungsexperten der OECD sehen keinen Zusammenhang zwischen Einsatz von Computern im Unterricht und Lernerfolgen. In Österreich wird jeden Schultag im Schnitt 29 Minuten im Internet gesurft.

Brüssel/Paris. Sie ist das Schreckgespenst aller europäischen Bildungspolitiker – die unter dem Akronym Pisa (Programme international pour le suivi des acquis des élèves) bekannte Bildungsstudie der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD), bei der (nicht skandinavische) EU-Mitglieder tendenziell weniger gut abschneiden als die asiatischen Tigerstaaten. Am gestrigen Dienstag präsentierte der Klub der Industrienationen in Paris die neueste Ausgabe seiner Enquete. Dieses Mal wurde untersucht, inwieweit der Einsatz von Computern und Internet im Unterricht verbreitet ist – und ob die Digitalisierung des Unterrichts überhaupt Erfolge zeitigt.

Der Befund der Studienautoren fällt ernüchternd aus: Es sei statistisch nicht nachweisbar, dass intensive Verwendung von Computern und anderen Informationstechnologien (IT) im Unterricht eine positive Auswirkung auf die Lernerfolge von 15- und 16-Jährigen in Mathematik und Naturwissenschaften habe. Und auch was die Lesefähigkeit anbelangt, scheint IT kein Ersatz für gutes Lehrpersonal zu sein. In Ländern, in denen Computer im Unterricht nicht flächendeckend eingesetzt werden, konnten Schüler laut OECD ihre Lesefähigkeit im Schnitt rascher verbessern als in Ländern, in denen Laptops zur Normalausstattung im Schulwesen zählen. In Österreich verwenden 81,4 Prozent der Schüler einen Computer im Unterricht, im OECD-Schnitt sind es 72 Prozent – wobei die negativen Ausreißer innerhalb der EU Polen, Slowenien, Lettland, Estland, Belgien und Irland sind.

Generell verbringen Schüler in der OECD pro Schultag 25 Minuten im Internet – wobei die regionalen Unterschiede innerhalb Europas deutlich sind. Spitzenreiter in der EU ist Dänemark mit 46 Online-Minuten pro Tag, gefolgt von Griechenland (42 Minuten) und Schweden (39), während Deutschland mit nur 13 Minuten pro Schultag am unteren Ende der Skala liegt. In Österreich sind Mittelschüler im Schnitt 29 Minuten online – dafür nutzen sie das Internet außerhalb der Unterrichtszeit weniger intensiv.

Nur drei Prozent ohne Internet

Während der durchschnittliche OECD-Schüler unter der Woche 104 Minuten pro Tag und am Wochenende 138 Minuten pro Tag im World Wide Web verbringt, sind es hierzulande 96 bzw. 119 Minuten – was allerdings nichts mit den Lebensbedingungen der österreichischen Schüler zu tun haben dürfte, denn nach OECD-Angaben haben hierzulande 97 Prozent der Schüler aus sozial benachteiligten Haushalten auch daheim Zugang zum Internet. EU-Spitzenreiter in dieser Kategorie ist ebenfalls Dänemark mit 99,3Prozent Internetdurchdringung, während beim EU-Schlusslicht Rumänien nur 52 Prozent der sozial benachteiligten Jugendlichen von zu Hause aus im Web surfen können.

Doch zurück zur Haupterkenntnis der jüngsten Pisa-Studie, wonach Zugang zum Internet und Schulleistung nicht miteinander korrelieren. Eine definitive Erklärung für dieses Phänomen haben die Studienautoren nicht zu bieten. Möglicherweise würde der Unterricht am Laptop andere zur Wissensvermittlung besser geeignete Unterrichtsformen verdrängen, lautet eine Hypothese – es könnte aber auch sein, dass beim Lehrpersonal gespart werde, um in die Hardware zu investieren.

Interessanterweise gibt es laut OECD einen teilweise negativen Zusammenhang zwischen IT-Investitionen und Schulleistungen. Demnach haben sich die Lernerfolge in Mathematik im Zeitraum von 2003 bis 2012 überdurchschnittlich oft in jenen Ländern verschlechtert, in denen im selben Zeitraum stark in die schulische Laptopausstattung investiert wurde. Besonders signifikant waren die Performance-Rückgänge in Schweden, Finnland, Tschechien und Frankreich. Für Österreich ermittelten die Studienautoren keine negativen Folgen, während die Zahl der Computer lediglich in Polen, Deutschland, Italien und Portugal positiv mit den Pisa-Ergebnissen korrelierte. Auch diesbezüglich tappen die OECD-Experten im Dunkeln. Eine mögliche Erklärung: Anstatt die neuen Schulcomputer produktiv zu nutzen, würden die Schüler im Internet Zeit verspielen.

AUF EINEN BLICK

Die OECD untersuchte erstmals, ob sich der Einsatz von Computern im Unterricht positiv auf die Lernerfolge auswirkt. Der Befund: PCs und Internet haben demnach keine positive Auswirkung auf die Performance von 15- und 16-Jährigen in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen – im Gegenteil: In jenen Ländern, in denen zwischen 2003 und 2012 überdurchschnittlich stark in schulische Hardware investiert wurde, haben sich die Lernerfolge in Mathematik im selben Zeitraum tendenziell verschlechtert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2015)

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