EU-Austritt

Theresa May will den harten Brexit

Theresa May erklärt der Welt den Brexit.
Theresa May erklärt der Welt den Brexit.(c) APA/AFP/POOL/KIRSTY WIGGLESWORTH (KIRSTY WIGGLESWORTH)
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Die britische Premierministerin machte in ihrer Rede unter dem Motto "A Global Britain" klar, sie will kein "halb drinnen, halb draußen". Man werde kein Teil des Binnenmarkts sein.

"Diese Regierung hat einen Plan für Großbritannien." Als Theresa May Dienstagmittag in London vor die internationale Presse tritt, hat die britische Premierministerin zwei Ziele: Die Briten auf eine positive Zukunft in der Welt einzuschwören ("come together") und der Welt die Motive für den EU-Austritt zu erklären und zu versichern, dass man der EU nicht schaden wolle. "Wir verlassen die Europäische Union, aber wir verlassen nicht Europa", betont May in ihrer rund 50-minütigen Rede mehrmals. Beide britische Parlamentskammern werden über den ausverhandelten EU-Ausstieg abstimmen. Und es werde keine halben Sachen geben.

Großbritannien sei immer anders gewesen, internationaler. Man sei immer eine Art "seltsames (awkward)" Mitglied gewesen. Die politischen Traditionen seien anders, es gebe keine geschriebene Verfassung. Die EU sei zu sehr auf Uniformität und zu wenig auf Flexibilität ausgerichtet. Der Brexit sei eine Möglichkeit, zu bestimmen, "welche Art von Nation wir sein wollen". Es bleibe im Interesse Großbritanniens, dass die EU erfolgreich ist. Man wolle nicht zurück in dunkle Zeiten, man wolle der EU nicht schaden.

"Streben nicht nach einem Modell"

Es soll ein Brexit ganz und gar werden. May hat in ihrer Grundsatzrede eine klare Trennung von der Europäischen Union angekündigt. Großbritannien wolle keine Teil-Mitgliedschaft oder assoziierte Mitgliedschaft in der EU "oder irgendetwas, das uns halb drin, halb draußen lässt", sagte May am Dienstag in London.

Im Juni vergangenen Jahres hatte eine Mehrheit der Briten dafür gestimmt, die Europäische Union zu verlassen. Mit dem Brexit verabschiedet sich eine der neben Deutschland und Frankreich drei größten Wirtschaftsmächte Europas aus der EU.

"Wir streben nicht nach einem Modell, das andere Länder schon genießen", sagte sie in Anspielung auf Länder wie Norwegen. Das Land ist kein EU-Mitglied, hat aber vollen Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Im Gegenzug muss es zum EU-Budget beitragen, EU-Bürgern erlauben, in Norwegen zu leben und zu arbeiten, und einen großen Teil der EU-Gesetzgebung übernehmen. May betonte: "Wir streben nicht danach, an Häppchen der Mitgliedschaft festzuhalten, wenn wir gehen."

Und so werde Großbritannien auch nicht Teil des Binnenmarkts sein. Denn das bedeute laut EU-Prinzipien auch den freien Verkehr von Personen. Doch man wolle die eigenen Grenzen wieder kontrollieren. May strebt einen Austritt aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion an. Stattdessen plädierte sie am Dienstag in London für ein neues Freihandelsabkommen mit der EU.

Und so präsentierte die Premierministerin den EU-Ausstieg als Rückeroberung der Macht über das eigene Land. Die Gesetze würden wieder in London, Belfast, Edinburgh und Cardiff gemacht und von Gerichten im Land kontrolliert und nicht von Richtern in Luxemburg. May betonte in ihrer Rede aber auch, dass es nicht im Interesse des Landes liege, dass die EU auseinanderbreche. Die Entscheidung für den Brexit sei nicht darauf gerichtet, der EU zu schaden. Die Europäer würden auch künftig in Großbritannien willkommen sein, die Briten hoffentlich auch in der EU.

Freier Handel, Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen

May nannte mehrere Prinzipien, die als Leitbild für die Brexitverhandlungen gelten sollen. Man wolle Verhandlungssicherheit, wo auch immer möglich. Das Ziel ist ein stärkeres und faireres Großbritannien. Die Landesgrenzen sollen wieder unter eigener Kontrolle stehen, doch wolle man die Rechte von Ausländern im Land klären und auch die Rechte von Briten im Ausland absichern. Man wolle freien Handel mit den EU-Ländern und neue Abkommen mit Ländern auf der ganzen Welt. Großbritannien solle eine führende Rolle in Wissenschaft und Forschung übernehmen. Was die Sicherheit angeht, werde man wie bisher die Informationen der Geheimdienste allen Verbündeten zur Verfügung stellen, um für ein sicheres Europa zu sorgen. Sie werde sich für den "richtigen Deal für Großbritannien" einsetzen. Nach dem Brexit wolle Großbritannien ein guter Freund und Nachbar sein. "Wir werden danach beurteilt werden, was wir aus Großbritannien machen."

Und zum Schluss richtete May das Wort an ihre Amtskollegen auf dem Festland. Großbritannien wolle ein guter Nachbar sein. Doch manche Stimmen würden - wenig nachbarschaftlich - eine Bestrafung für den Brexit fordern, um Nachahmer abzuschrecken. Das würde Großbritannien nicht akzeptieren. Solche Überlegungen seien schadhaft für die Europäische Union.

Ein "bestrafender Brexit-Deal" wäre ein "katastrophaler Akt der Selbstverletzung", sagte May bei einer Grundsatzrede zum Brexit am Dienstag in London und fügte hinzu: "Kein Abkommen ist besser als ein schlechtes Abkommen für Großbritannien."

Dreht May an der Steuerschraube?

Gleichzeitig drohte sie, Großbritannien könne eine Veränderung seines Wirtschaftsmodells in Betracht ziehen. Sie befeuerte damit Befürchtungen, das Land könne durch eine Absenkung der Körperschaftssteuer zum Steuerparadies werden. "Wir hätten die Freiheit, wettbewerbsfähige Steuersätze festzulegen und Strategien zu wählen, um die besten Unternehmen und größten Investoren nach Großbritannien zu locken", sagte May.

Mit dem finalen Abkommen ist frühestens im Frühjahr 2019 zu rechnen, nach einer zweijährigen Verhandlungsphase. Sie beginnt mit der förmlichen Austrittserklärung. May hatte angekündigt, Brüssel spätestens Ende März über den Austrittswunsch des Landes zu informieren.

Das zuletzt geschwächte britische Pfund hat sich nach der Brexit-Grundsatzrede von May jedenfalls wieder erholt. Während und nach der Rede legte das Pfund um über ein Prozent bis auf 1,2347 US-Dollar zu. Damit sind die Verluste im Vorfeld der Rede inzwischen mehr als wettgemacht.

Schottland warnt, EU wartet ab

Was die von May beschworene britische Einigkeit angeht, so wird die Premierministerin und ihr Team vor allem in Schottland Überzeugungsarbeit leisten müssen. Die dortige Regierungschefin Nicola Sturgeon nennt den harten Bruch mit der EU eine "wirtschaftliche Katastrophe" für Großbritannien. Schottland habe nicht für den Kurs gestimmt, den May nun vorgegeben habe, beklagte Regierungschefin Nicola Sturgeon am Dienstag.

Aus der EU-Kommission gab es vorerst keine konkrete Reaktion auf die Rede. Sprecher Margaritis Schinas sagte, die Position der EU-Kommission und der 27 EU-Staaten sei sehr klar. Auf spezifische Fragen Großbritanniens werde die EU erst reagieren, nachdem das EU-Austrittsverfahren nach Artikel 50 des EU-Vertrags formal eingeleitet wurde. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sei in regelmäßigem Kontakt, für den heutigen Dienstag sei später noch ein Telefonat mit May geplant, sagte ein EU-Kommissionssprecher in Straßburg.

Scharfe Kritik aus EU-Parlament

Großteils scharfe Kritik übte das EU-Parlament an der Rede von May. Der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament Othmar Karas zeigte sich "traurig" und meinte, die Rede sei "schlimmer als befürchtet". Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen ortete unterdessen Widersprüche und Fallstricke. Karas warf May vor, alle Brücken zur EU abbrechen zu wollen. Dies sei zum Schaden des eigenen Landes und Europas. Auch sei das Vorhaben der britischen Regierung ein Affront gegenüber den Schotten und Nordiren und all jenen jungen Menschen, die in Großbritannien für den Verbleib in der EU gestimmt haben, erklärte der ÖVP-Politiker. Er forderte May auf, sofort den Austrittsantrag vorzulegen und nicht erst im März.

(klepa/Ag.)

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