Wie teuer wird der Brexit für die Briten?

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Eine Studie schlüsselt die „Scheidungsrechnung“ auf. Den Löwenanteil dieser machen offene Finanzierungszusagen der EU aus.

Brüssel. 60 Milliarden Euro – so teuer dürfte die Scheidung von Europa für Großbritannien werden, geht es nach den Vorstellungen der EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde – konkret der von ihr als Brexit-Chefunterhändler betraute ehemalige Kommissar Michel Barnier – geht davon aus, dass die britische Regierung die Rechnung begleichen wird, um nach dem Brexit in den Genuss einer engen Anbindung an den Binnenmarkt der Union zu kommen. In London wiederum will man von einem derart hohen Endbetrag nichts wissen.

Wie kommt die Kommission zu dieser Summe? Der Thinktank „Centre for European Reform“ (CER) hat sich die Mühe gemacht, die Bücher der EU zu durchforsten, um die offenen Rechnungen zu finden: Interpretiert man die EU-Regeln, wie die Brüsseler Behörde es tut (was aller Voraussicht nach juristisch geklärt werden muss), endet man in der Tat bei einer Summe zwischen 57,4 und 72,8 Mrd. Euro – die Differenz hängt davon ab, ob man den britischen Anteil am EU-Budget mit zwölf oder mit 15 Prozent beziffert.

Den Löwenanteil dieser Maximalvariante machen mit 30 bis 35 Mrd. Euro offene Finanzierungszusagen der EU, die seit dem vergangenen Jahrzehnt angehäuft werden – sogenannte „Reste à liquider“, die sich mittlerweile auf insgesamt 241 Mrd. Euro summieren. Der zweitgrößte Brocken sind die britischen Anteile am EU-Kohäsionsfonds im Zeitraum 2019/2020 (14 bis 17 Mrd. Euro), gefolgt von Pensionszusagen für EU-Beamte (7,7 bis 9,6 Mrd. Euro). Hinzu kommen zahlreiche „Peanuts“ wie die Finanzierung des EU-Investitionsfonds EFSI (rund zwei Mrd. Euro) oder der britische Anteil am EU-Satellitenprogramm Copernicus (400 Mio. Euro).

Auf der anderen Seite des Verhandlungsspektrums befindet sich die Minimalvariante, die alle Finanzierungszusagen für den Zeitraum nach dem EU-Austritt ausklammert. Nach dieser Lesart belaufen sich die britischen Verbindlichkeiten auf 24,5 bis 33,4 Mrd. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2017)

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