Deutsch-französischer Euro-Missklang

EU-Kommissar Pierre Moscovici kontert deutschen Ängsten vor gallischer Schuldenmacherei: „Macron wird Deutschland beträchtlichen Nutzen bringen.“
EU-Kommissar Pierre Moscovici kontert deutschen Ängsten vor gallischer Schuldenmacherei: „Macron wird Deutschland beträchtlichen Nutzen bringen.“(c) APA/AFP/THIERRY CHARLIER (THIERRY CHARLIER)
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Paris und Berlin sind sich einig: Die Währungsunion muss vertieft werden. Doch zwischen den Ideen von Emmanuel Macron und dem Gespann Merkel/Schäuble klafft ein Abgrund.

Brüssel. Emmanuel Macron war gerade erst gewählt, da rückte die „Bild“-Zeitung schon das schwere Geschütz aus: „Wie teuer wird Macron für uns?“, donnerte Deutschlands meistgelesene Zeitung, und mehrere deutsche Politiker durften dem Boulevardblatt Warnungen diktieren, der Franzose solle nur ja nicht auf die Idee kommen, auf deutsche Kosten Schulden machen zu können.

Der Anlass des Sturms im Berliner Blätterwald ist Macrons Vorschlag, einen gemeinsamen Finanzminister für die Eurozone zu installieren, der ein Budget für selbige verwaltet und von einem Eurozonenparlament kontrolliert wird. Eurobonds finden sich zwar nicht im Programm von Macrons Partei En marche!, in einem Interview während des Wahlkampfes hatte sich der frühere Bankier und Wirtschaftsminister jedoch ein bisschen missverständlich in dieser Frage ausgedrückt.

Vertragsänderung undenkbar

Eine Vergemeinschaftung der Staatsschulden der Euroländer, selbst nur eines Teiles, wird es mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Finanzminister, Wolfgang Schäuble, nicht geben. Das liegt nicht nur am Misstrauen der beiden gegenüber der ausgabenfreudigeren Haushaltstradition in Frankreich und den anderen Mittelmeerstaaten. Merkel und Schäuble wissen, dass die Änderung des Europäischen Vertrages, die dafür nötig wäre, derzeit politisch unmöglich ist.

Schäuble machte in einem am Donnerstag erschienenen Gespräch mit der italienischen Zeitung „La Repubblica“ aber auch seine Unzufriedenheit mit dem Zustand der Eurozone deutlich. Sein Vorschlag: Der Europäische Stabilitätsmechanismus, über den Griechenlands Reformprogramm finanziert wird, solle durch ein Eurozonenparlament ergänzt werden, das „beratend“ zur Seite steht.

In Berlin und Paris teilt man zumindest eine Einsicht: Der Euro muss reformiert werden, die Zahlungsfähigkeit seiner Mitgliedsländer darf nicht mehr davon abhängen, ob der Präsident der Europäischen Zentralbank willens ist, sein Mandat bis zur Schmerzgrenze auszudehnen. Doch hier endet die deutsch-französische Einigkeit. Merkel und Schäuble wollen eine Art Eurowährungsfonds, der Krisenländer gegen harte Sanierungsprogramme mit Milliardenbeträgen flüssig hält.

Macron-Berater beruhigt

Das lehnt man in Paris ab. „Die deutschen Ideen für die Eurozone sind gut für Deutschland, aber zu streng für die EU“, sagte Pierre Moscovici, früherer sozialistischer Finanzminister und nun in der Brüsseler Kommission für Wirtschafts- und Finanzfragen zuständig, voriges Jahr. In Paris – und Moscovici ist einer der eloquentesten Fürsprecher dieser Idee – will man ein gemeinsames Eurozonenbudget, über das in strukturschwächere Regionen investiert wird. Diese grenzüberschreitende Umverteilung ist hingegen für Berlin inakzeptabel.

Kann man diesen Graben überbrücken? Der Ökonom Jean Pisani-Ferry, Macrons Programmdirektor und einst Direktor der Brüsseler Ideenschmiede Bruegel, bemühte sich am Donnerstag um Klärung. Es gehe Macron darum, eine grundlegende Diskussion für die Zeit nach den Bundestagswahlen im September anzustoßen, wie es sie in den vergangenen Jahren angesichts all der Krisen nicht gegeben habe. „Wir können allesamt froh sein, dass es den Euro noch gibt. Aber können wir stolz darauf sein, dass es noch immer Bankenkrisen gibt?“, fragte Pisani-Ferry.

Dass es Macron darum gehe, dem deutschen Steuerzahler französische Schuldenpolitik umzuhängen, sei haltlos. „Wir sind uns dessen vollkommen bewusst, dass unsere Agenda zu Hause beginnt, mit der Lösung selbst gemachter Probleme durch eigene Mittel.“

Was er der „Bild“-Zeitung antworten würde, wurde Moscovici ebenfalls am Donnerstag bei der Vorstellung der generell positiven Frühjahrsprognose für die Wirtschaft Europas (seit fünf Jahren kontinuierliches Wachstum, sinkende Arbeitslosigkeit) gefragt. „Macron wird Deutschland beträchtlichen Nutzen bringen“, sagte er. „Denn das ist ein Präsident, der sich nicht gegen Deutschland aufstellt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2017)

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