ÖGfE-Umfrage: Bevölkerung will klare EU-Haltung

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Für drei von vier Österreichern ist die Europapolitik für ihre Wahlentscheidung im Oktober wichtig, aber SPÖ und ÖVP schweigen bisher. Die Austrittsoption ist unpopulär geworden.

Wien. Nicht nur die Stimmung, auch die Aufmerksamkeit hat sich gedreht. Nach dem Brexit und den Wahlerfolgen proeuropäischer Kandidaten in Europa steigt bei den heimischen Wählern die Sensibilität beim Thema Europa. Für 75 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen ist es für ihre persönliche Wahlentscheidung „sehr wichtig“ oder „wichtig“, wie eine Partei zur Europäischen Union steht. Das geht aus einer neuen Umfrage der Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) hervor, die der „Presse“ vorliegt. ÖGfE-Generalsekretär Paul Schmidt erachtet es als notwendig, dass sich die politischen Parteien in der Europafrage nun „klar positionieren“.

Das diese Positionierung nicht eben einfach ist, wird durch die verzögerte Präsentation der EU-Programme von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Sebastian Kurz (ÖVP) deutlich. Beide hatten für Anfang April Reformvorschläge zur EU angekündigt, aber bisher noch nicht ausgeliefert. Während die SPÖ ihren Plan E dem Vernehmen nach fertig in der Schublade hat, wird in der ÖVP noch um Positionen gerungen.

Kurz dürfte, wie zuletzt bei seiner Rede vor dem Europaforum Wachau deutlich wurde, auf mehr nationale Selbstbestimmung in der EU setzen. Eine Position, die nicht alle in der Partei mit Begeisterung teilen. „Wir brauchen keine Nationalisierung der Europapolitik“, so der ÖVP-Spitzenmann im EU-Parlament, Othmar Karas. „Was wir aber brauchen, ist eine Debatte über die konkrete Aufteilung der Zuständigkeiten.“ Die Menschen hätten ein gesundes Gespür für die Bedeutung der EU, „deshalb ist der Wunsch nach klaren Positionen in der Europapolitik positiv zu sehen“, so Karas.

Kern hat sich bereits mehrfach für mehr Koordination in der Sozialpolitik und für ein schärferes Vorgehen gegen Steuervermeidung ausgesprochen. Streitthema in der SPÖ sind die Handelsabkommen der EU, die von linken Kräften in der Partei abgelehnt werden. Kern will, wie sein Sprecher gegenüber der „Presse“ bestätigt, die Linie in der Europapolitik noch vor dem Sommer in einer Rede erläutern.

Soll Österreich EU-Mitglied bleiben?
Soll Österreich EU-Mitglied bleiben?(c) Die Presse

Wende bei der FPÖ?

Probleme bei der Positionierung haben auch die Freiheitlichen. Ihre deutlich EU-skeptische Haltung entspricht nicht mehr dem Stimmungstrend. Zwar lehnt beispielsweise eine klare Mehrheit von 59 Prozent der Bevölkerung eine Vertiefung der Eurozone mit eigenem Finanzminister und gemeinsamen Budget ab. Das Koketieren mit einem Austritt aus dem Euro oder der EU ist hingegen nicht mehrheitsfähig. Das war mit ein Grund, warum die FPÖ bereits im Präsidentenwahlkampf ihre europapolitische Linie geändert hat. Aussagen zum Öxit wurden revidiert, Vorschläge für eine neuerliche EU-Abstimmung in Österreich von freiheitlichen Politikern nicht mehr weiterverfolgt.

Der Austritt aus der EU ist so unpopulär wie seit Jahren nicht mehr. Lediglich 21 Prozent der Österreicher sprachen sich in der aktuellen ÖGfE-Umfrage für ein Ende der Mitgliedschaft aus. 75 Prozent wollen daran festhalten, der Rest (4%) verweigerte eine Antwort. Schmidt ortet Parallelen zur österreichischen Präsidentenwahl und den letzten Wahlen in den Niederlanden und Frankreich, wo sich jeweils proeuropäische Kandidaten klar durchsetzen konnten. „Gerade in unsicheren Zeiten sind nationale Alleingänge für eine deutliche Mehrheit keine Option.“

Die Grünen werden bis auf die Frage der EU-Handelsabkommen mit einer proeuropäischen Haltung in den Wahlkampf gehen. Das garantiert insbesondere die Festlegung auf Ulrike Lunacek als Spitzenkandidatin. Kompromisslos proeuropäisch werden sich die Neos positionieren, die im Gegensatz zu den Grünen für Freihandelsabkommen der EU mit internationalen Partnern eintreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2017)

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