Die britische Premierministerin schlägt vor, EU-Bürgern nach fünf Jahren gleiche Rechte wie Briten zu gewähren. Ratspräsident Tusk sieht in dem Plan allerdings einen Abbau der Bürgerrechte.
Die EU-Spitzen haben den von der britischen Premierministerin Theresa May vorgelegten Plan für die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien nach dem Brexit kritisiert. "Mein erster Eindruck ist, dass das Angebot des Vereinigten Königreichs unter unseren Erwartungen liegt", erklärte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag. Es bestehe damit das Risiko, dass sich die Situation für die betroffenen Bürger verschlechtere.
Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bezeichnete den Vorschlag der Staatschefin als "nicht ausreichend". Es sei zwar positiv zu bewerten, dass Großbritannien nun einen konkreten Vorschlag unterbreitet habe, hieß es aus EU-Kreisen. Noch sei aber unklar, ob dieser "genauso großzügig" sei wie das Angebot, das die verbleibenden 27 EU-Staaten hinsichtlich der britischen Bürger im EU-Ausland vorzuweisen hätten. "Offen gesagt: Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es diesbezüglich einige Zweifel."
Der amtierende EU-Ratsvorsitzende und Maltas Premier Joseph Muscat stieß sich vor allem an der unterschiedlichen Behandlung von EU-Bürgern in Großbritannien je nach der Aufenthaltsdauer. "Wie sieht es mit Nicht-EU-Bürgern aus, die mit EU-Bürgern verbunden sind, wie ist deren Status?", wollte Muscat wissen. Es "wäre besser und uns lieber gewesen, wenn man für alle Bürger eine gleiche faire Behandlung vorgesehen hätte".
Gerichtsbarkeit ist großer Streitpunkt
May hatte am Vorabend den EU-Kollegen unterbreitet, wie die britische Regierung die Rechte der in Großbritannien ansässigen EU-Bürger nach dem Brexit wahren will. Demnach können diejenigen, die sich vor dem Brexit in Großbritannien niederließen, nach fünf Jahren ein Bleiberecht beantragen. Offen blieb unter anderem allerdings, welches Datum als Stichtag für die Regelung festgelegt werden soll. Der Stichtag soll zwischen dem Tag der offiziellen Bekanntgabe des EU-Austritts am 30. März diesen Jahres und dem Brexit-Datum am 29. März 2019 liegen.
In der Frage der Gerichtsbarkeit ging May allerdings auf Konfrontation zu den EU-Partnern: Anders als von diesen gefordert, soll die britische Justiz und nicht der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei strittigen Fragen hinsichtlich der Rechte der EU-Bürger zuständig sein. May sprach von einem "sehr fairen und sehr ernsthaften Angebot". Am kommenden Montag werde ihre Regierung weitere Details vorlegen. Damit sollen auch Fragen nach den Rechten von Ehepartnern geklärt werden, wenn einer von ihnen kein EU-Bürger ist.
Auch für Bundeskanzler Christian Kern sind mit dem Vorschlag Mays noch nicht alle Fragen geklärt. Es sei "ein erster Vorschlag, über den man einmal diskutieren kann. Der regelt allerdings nicht das gesamte Problem", sagte Kern am Donnerstagabend beim EU-Gipfel in Brüssel. "Es sind immer noch genug Menschen davon betroffen, für die es Unklarheit gibt", sagte Kern. Dies müsse jetzt in den Verhandlungen präzisiert werden.
(APA/Reuters)