Der Bundeskanzler setzt für einen neuen EU-Wirtschaftskurs auf den französischen Präsidenten. In einer weiteren Frage sind sich die Politiker einig: Sie fordern von Osteuropa mehr Solidarität ein.
Einen Tag nachdem sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, von vielen als neuer EU-Hoffnungsträger tituliert, bei seinem Europarat-Debüt als Verfechter einer neuen europäischen Wirtschaftspolitik präsentierte ("Wie erklären Sie unseren Arbeitern, die von unfairen Handelspraktiken betroffen sind, dass wir nicht die Mittel haben, sie zu verteidigen?"), schlägt Bundeskanzler Christian Kern in die gleiche Kerbe.
Er hat vom EU-Gipfel deutliche Beschlüsse gegen Dumping-Praktiken und Übernahmen aus dem Ausland gefordert. Die EU müsse ihre Bürger schützen, sagte der SPÖ-Kanzler am Freitag vor Beginn des zweiten EU-Gipfeltages in Brüssel. "Da müssen wir jetzt entschlossen dagegen halten", fügte er hinzu. "Ich hoffe, dass wir mit Macron einen Mitspieler haben, der das Gewicht in Richtung dieser Politik im Rat verschieben wird", sagte Kern über den französischen Präsidenten.
Kern sprach auch die Stellung der EU nach dem Ausstieg Großbritanniens aus der Union an. Am Donnerstag hatte die britische Premierministerin Theresa May angekündigt, EU-Bürger wegen des Brexits nicht zum Wegzug aus dem Königreich zwingen zu wollen. Die Briten hätten sich mit der Entscheidung zum Brexit keinen Gefallen gemacht, "bedauerlicherweise auch für Europa nicht", so Kern. Doch Europa verstehe, gerade auch nach der Wahl in Frankreich, "dass wir unsere Interessen geschlossen zu vertreten haben gegenüber den großen anderen Wirtschaftsblöcken", Amerika, China und auch gegenüber Russland. Auch wenn es nicht immer Einigkeit gebe, sei am Ende "die Bereitschaft zu einem gemeinsamen Beschluss zu kommen vorhanden".
Kern will Entsenderichtlinie ändern
Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs werden am Freitag über Wirtschaftsfragen beraten. Auf der Agenda stehen dabei neben einem Bekenntnis zum Freihandel ein Plädoyer für Anti-Dumping-Maßnahmen. Die EU-Kommission soll prüfen, wo Übernahmen von strategisch wichtigen Firmen untersagt werden sollten. Hintergrund sind etwa Stahlimporte aus China sowie chinesische Übernahmen von Firmen in der EU. Kern möchte zudem wie Macron die Entsenderichtlinie in der EU ändern, um etwa bei der Arbeit von osteuropäischen EU-Bürgern in Partnerländern vorzuschreiben, dass sie dort die üblichen Löhne erhalten müssen. Dies lehnen die osteuropäischen EU-Staaten aber ab.
Auch die Themen Migration und Terrorismusbekämpfung stehen für Kern am EU-Gipfel ganz oben auf der Agenda. Denn "Solidarität in Europa kann keine Einbahnstraße sein. Ich kann nicht immer nur fordern, und mich dann den Verpflichtungen entziehen, so kann das nicht funktionieren", so Kern. Gestern habe er Gespräche mit dem tschechischen und dem slowakischen Premierminister in Brünn geführt, "die wissen, dass sie einen Beitrag zu leisten haben". Nun müsse man ausführlichen diskutieren, wer welche Verantwortung trägt.
Macron an Osteuropäer: "Europa ist kein Supermarkt"
Österreich als eines der hauptbetroffenen Länder der illegalen Migration, die dem österreichischen Staat zwei Milliarden Euro verursacht habe, habe "daher die Erwartungshaltung, dass die Länder, die quasi die Frontstaaten bilden, nicht allein gelassen werden, sagte Kern. Vor dem Hintergrund "hat auch umgekehrt Italien unsere Solidarität zu haben", betonte der Bundeskanzler.
"Wir betreuen die Menschen natürlich in unserem Land", so Kern, doch es sei ganz klar, wenn wir "die Menschen in ihren Herkunftsländern betreuen können, dann wird die Rechnung auch billiger und wesentlich effizienter". Daher sei es wichtig, in die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder zu investieren.
Auch Frankreichs Präsident kritisierte Polen und Ungarn in einem Interview am Freitag scharf. Für manche osteuropäischen Staaten diene die EU nur "dazu, Geld zu verteilen - ohne ihre Werte zu respektieren", hatte er gesagt. "Aber "Europa ist kein Supermarkt, Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft!"
(APA/Reuters)