Die konservative britische Abgeordnete Anna Soubry kritisiert ihre eigene Regierung für deren Brexit-Linie scharf. Die proeuropäische Tory-Abgeordnete kämpft für einen Verbleib im Binnenmarkt und in der Zollunion. Sie stellt sich klar gegen Premierministerin Theresa May.
So kritisch äußererte sich bisher kein Tory-Abgeordneter gegen die Brexit-Verhandlungen: Anna Soubry machte in einem "Presse"-Interview ihrem Frust Luft.
Die 60-Jährige vertritt den Wahlkreis Broxtowe in Nottinghamshire seit 2010 im britischen Unterhaus für die konservative Partei. Unter Premierminister David Cameron war die Juristin und ehemalige Journalistin Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, seine Nachfolgerin, Theresa May, sah die aufmüpfige und stets für eine Wortmeldung gegen die Parteilinie bereite Politikerin dann lieber auf den Hinterbänken. Soubry kämpfte nicht nur leidenschaftlich gegen den Brexit, sie ist bis heute eine der profiliertesten Verfechterinnen eines proeuropäischen Kurses der Tories. Obwohl ihr Wahlkreis für den Brexit gestimmt hatte, konnte Soubry bei der Parlamentswahl im Juni ihre Stimmenanzahl sogar noch ausbauen. Der Wille der britischen Wähler bleibt unergründlich und rätselhaft.
Die Presse: Das Parlament hat diese Woche die Brexit-Debatte wieder aufgenommen. Begrüßen Sie den Kurswechsel der Labour Party zu einem Verbleib Großbritanniens im Binnenmarkt und der Zollunion?
Anna Soubry: Ich bin sehr erfreut, dass sie nun zu einer ähnlichen Ansicht gelangt sind, wie sie Abgeordnete wie ich und andere Konservative schon seit einiger Zeit vertreten. Aber ich glaube nicht für eine Sekunde, dass es (Labour-Chef) Jeremy Corbyn ernst damit ist. Er ist ein knallharter Linker, der die EU als eine kapitalistische Verschwörung sieht. Aber es ist ermutigend, dass Stimmen der Vernunft den Ton anzugeben beginnen. Ich sehe einen Konsens entstehen über die Bedeutung der Mitgliedschaft in der Zollunion und des Verbleibs im Binnenmarkt. Die Regierung will diese Vorteile behalten und aus der EU austreten. Wir müssen aufwachen und die Realität erkennen, dass wir das nicht erreichen werden.