Europapolitik

Deutscher Gegenwind für Macrons Reform-Elan

Das Ende der deutschen großen Koalition stellt Frankreichs Präsidenten, Emmanuel Macron, vor große Ungewissheiten.
Das Ende der deutschen großen Koalition stellt Frankreichs Präsidenten, Emmanuel Macron, vor große Ungewissheiten.(c) REUTERS
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Sollte Frankreichs Präsident ein Budget für die Eurozone wünschen, wird er in Berlin scheitern. Bescheidet sich Macron jedoch in seiner Reformverve, kann er auf ein Einvernehmen mit CDU/CSU, FDP und Grünen hoffen.

Brüssel. Am Morgen nach der Bundestagswahl machte ein vor knapp drei Wochen erschienener Artikel der Zeitung „Le Monde“ im Internet die Runde. „Eine Koalition CDU-Liberale: Der Albtraum von Macron“ lautete der Titel dieser Analyse, in der Präsident Emmanuel Macron mit diesen schicksalsschweren Worten, die er an einen ungenannten Besucher im Élysée-Palast gerichtet haben soll, zitiert wird: „Wenn sie mit den Liberalen koaliert, bin ich tot.“

Sie, das ist die bisherige und künftige Kanzlerin Angela Merkel, von deren vierter und letzter Amtszeit man sich in Paris und vielen anderen europäischen Hauptstädten viel erwartet. Befreit vom Druck, sich zwecks Wiederwahl dem Misstrauen vieler Deutscher gegenüber den europapolitischen Ambitionen der Mittelmeerstaaten unter Führung Frankreichs zu beugen und jegliche Reform des Euro zu blockieren, könne sie sich ein historisches Denkmal setzen und die Wirtschafts- und Währungsunion vollenden. Die SPD unter Führung des glühenden europäischen Föderalisten Martin Schulz würde Merkel auf dem Weg zu dieser grundlegenden Reform willig zur Seite stehen.

So zumindest stellte man sich das in einigen europäischen Staatskanzleien vor, ehe das Ergebnis vom Sonntag die Große Koalition nach acht Jahren beendete und die bange Frage aufwarf: Wie hält es die FDP mit Europa?

Keine Umverteilung im Euro

Im Wahlkampf gab sich deren Spitzenkandidat, Christian Lindner, ziemlich forsch. Der EU-Vertrag solle geändert werden, um finanziell angeschlagenen Mitgliedern der Eurozone das Verlassen derselben zu ermöglichen, ohne dabei gleich ganz aus der EU zu fliegen. Von einem gemeinsamen Haushalt der Eurozonenländer – einer langjährigen politischen Forderung französischer Regierungen – halten Lindner und die fiskalischen Falken in seiner Partei nichts. Auch einem Finanzminister für die Eurozone können die deutschen Liberalen wenig abgewinnen. In einem Interview mit „Politico“ im Juni verstieg sich Lindner in dieser Frage in einen fragwürdigen historischen Vergleich: „Einen Erfolg des Wegs von Transfers und Umverteilung sehe ich nicht. An dessen Ende stünde ein System Sowjetunion, bei dem die systematischen Verlierer sich irgendwann gegen die Union und gegen den Euro stellen würden.“

Doch auch für den jungen Chef der FDP gilt: Nicht an allem, was man im Wahlkampf heiß gekocht hat, muss man sich in den Koalitionsverhandlungen die Zunge verbrennen. Zumal Lindner in besagtem Interview auch einige Aussagen machte, die von Macrons Vorstellungen nicht so weit entfernt sind. „Denkbar ist, die Aufgaben des Vorsitzenden der Euro-Gruppe und des für Finanzen zuständigen EU-Kommissars zu bündeln“, sagte Lindner. Genau das schlug Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor zwei Wochen in seiner Straßburger Grundsatzrede zur Lage der Union vor.

Ebenfalls auf einer Linie könnte sich die FDP mit Macron in der Grundsatzfrage finden, ob man die Eurozone im Rahmen der gesamten Union repariert, oder ob die Eurozonenmitglieder separat vorpreschen sollen. Heute, Dienstag, präsentiert Macron seine Erneuerungsvorstellungen in einer Rede vor französischen und internationalen Studenten an der Sorbonne-Universität. Sein Stab informierte bereits am Montag die Presse über die grundlegenden Züge dieser Vorschläge. Der Ausdruck „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ fiel dabei zwar nicht. Macron wolle, dass die EU gemeinsam voranschreitet (immerhin sind alle 27 Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks, die nach dem Brexit verbleiben, zur Einführung des Euro verpflichtet, sobald sie die Bedingungen dafür erfüllen). Doch sollte kein Mitglied den Reformwillen der anderen bremsen können. Ein Zugang, mit dem Lindner kann: „Ich bin sehr für die Idee eines differenzierten Europa.“

Einen „bescheidenen Rat für Macrons Rede nach den deutschen Wahlen“, hat Janis Emmanouilidis, Studienleiter des European Policy Centre in Brüssel, parat: „Kampf gegen autoritäre Populisten als gemeinsames Narrativ unterstreichen; nicht zu ehrgeizig betreffend die Eurozone sein; ein Paket anbieten, einschließlich Verteidigung und Migration, als Grundlage für einen Deal der EU27.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2017)

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