"Politico": EU-Arbeitsverträge gegen Sex

Archivbild. Das Europäische Parlement (im Bild der Sitzungssaal in Straßburg) muss Vorwürfe der sexuellen Belästigung einzelner Parlamentarier aufarbeiten.
Archivbild. Das Europäische Parlement (im Bild der Sitzungssaal in Straßburg) muss Vorwürfe der sexuellen Belästigung einzelner Parlamentarier aufarbeiten.REUTERS
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Das Nachrichtenportal berichtet von 87 Fällen sexueller Belästigung im EU-Parlament. Zuvor gab es ähnlich Medienberichte. Parlamentspräsident Tajani kündigte Beratungen des Präsidiums an.

Auch im Europaparlament soll es zu Fällen schwerwiegender sexuellerBelästigung gekommen sein. Wie das Nachrichtenportal "Politico" Dienstagfrüh meldete, hätten sich bisher insgesamt 87 Frauen und Männer an das Internetportal mit solchen Vorfällen gewandt. Darunter seien Berichte über EU-Arbeitsverträge, die als Gegenleistung für Sex angeboten wurden. Auch seien junge Frauen zu Abendessen oder in Bars geschickt worden, um mit sexuellen Gefälligkeiten Entgegenkommen bei Gesetzestexten zu erwirken. Ein Mitarbeiter des EU-Parlaments hätte erzählt, von Abgeordneten aufgefordert worden zu sein, ihnen Prostituierte zu besorgen, schreibt "Politico" weiter.

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani hatte am Montag in Straßburg zu ähnlichen Vorwürfen der "Sunday Times" Stellung genommen. Er sprach von schockierenden Anschuldigungen und kündigte Beratungen des Präsidiums an. Eine externe Untersuchung, wie von einem sozialdemokratischen Abgeordneten angeregt, soll es nach seinem Willen aber vorerst nicht geben.

Parlemantarier soll vor Mitarbeiterin masturbiert haben

Die britische Zeitung "The Sunday Times" hatte zuvor schwere Vorwürfe von Parlamentsmitarbeiterinnen öffentlich gemacht. So sollen männliche Abgeordnete Frauen auf verschiedene Weise sexuell bedrängt oder begrapscht haben. In einem Fall habe ein Parlamentarier vor einer jungen Assistentin masturbiert, schrieb die "Sunday Times". Der Zeitung zufolge sind unter den Beschuldigten mindestens zwei deutsche Abgeordnete. Einer von ihnen wird sogar als "führend" bezeichnet.

Namentlich genannt wird in dem Bericht allerdings lediglich ein 71 Jahre alter französischer Grünen-Politiker, der der Mitarbeiterin eines anderen Abgeordneten eine unsittliche Textnachricht geschrieben haben soll. Die Identitäten der anderen Beschuldigten enthüllte das Blatt nicht - nach eigenen Angaben auf Wunsch der Parlamentsmitarbeiterinnen. Die Frauen hätten Angst um ihre Karrieren und fürchteten eine mögliche juristische Auseinandersetzung, schrieb die "The Sunday Times".

Keine Beschwerden eingelangt

Ein Sprecher des EU-Parlaments sagte am Montag, dass dem zuständigen Beschwerdeausschuss noch keine Belästigungsvorwürfe angezeigt worden seien. Dass die Betroffenen anonym ihr Schweigen brachen, erklärt das Blatt mit dem Skandal um den Filmmogul Harvey Weinstein. Seit den Missbrauchsvorwürfen gegen den Mann berichten Frauen auf der ganzen Welt unter dem Stichwort "#MeToo" von schlechten Erfahrungen.

Österreichischen EU-Abgeordneten forderten eine "schonungslose und sofortige Aufklärung". Allerdings seien auf EU-Ebene keine strafrechtlichen Konsequenzen möglich, die können nur auf nationalstaatlicher Ebene folgen, erklärte die scheidende EU-Abgeordnete der Grünen, Ulrike Lunacek, am Dienstag in Straßburg.

Es gebe zwar einen Paragrafen im Statut der EU-Mitarbeiter, der besagt, dass "sexuelle Belästigung nicht sein dürfe", sagte ihre Parteikollegin Monika Vana. Aber das sei offenbar "totes Recht". Aus diesem Grund müsste nun etwa die entsprechende Anlaufstelle, die bisher hauptsächlich für Beschwerden gegen Anti-Mobbing genutzt wurde, gestärkt werden, sodass sich Frauen bei Bedarf "mehr an sie wenden". Bisher habe sich noch niemand dort wegen sexueller Belästigung gemeldet.

Für ÖVP-Generalsekretärin und scheidende EU-Parlamentarierin, Elisabeth Köstinger, haben die bisherigen "Instrumente" der EU-Behörde versagt. Dass "keiner der jetzt kolportierten Fälle" bei der entsprechenden Stelle gemeldet wurde, würde dies beweisen. Köstinger fordert: "Wir brauchen eine Veränderung, funktionierende Kanäle, wohin Mitarbeiter sich wenden ohne Konsequenzen zu fürchten."

(APA/dpa)

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