Amnesty: EU schuld an Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Libyen

APA/AFP/MAHMUD TURKIA
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"Die EU-Staaten finanzieren in Libyen mit von uns allen bezahlten Steuern Piraterie und Sklavenhandel" kritisiert die Menschenrechtsorganisation.

Amnesty International (AI) hat der Europäischen Union eine Mitschuld an Menschenrechtsverletzungen gegenüber Migranten in Libyen vorgeworfen. Die EU unterstütze libysche Behörden, die häufig mit Schleusern zusammenarbeiteten und Flüchtlinge und Migranten folterten, erklärte die Menschenrechtsorganisation in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht.

Wer versuche, Fluchtrouten mit Gewalt zu schließen, trage menschenrechtliche Verantwortung für die grausamen und teils tödlichen Konsequenzen, sagte der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt. Amnesty fordere daher von den EU-Regierungschefs Lösungen, die die Menschenwürde der Betroffenen respektierten. "Folterlager und Sklavenmärkte müssen umgehend aufgelöst werden", forderte Patzelt.

Von der libyschen Küstenwache aufgegriffene Flüchtlinge landeten oft in Hafteinrichtungen in Libyen, so Amnesty. Derzeit befänden sich in solchen überbelegten Einrichtungen bis zu 20.000 Personen unter unzumutbaren hygienischen Umständen. Betroffene berichteten Amnesty, dass sie selbst schwere Menschenrechtsverstößen erlebt oder beobachtet hätten, wie etwa willkürliche Inhaftierung, Folter, Zwangsarbeit, Erpressung und rechtswidrige Tötung durch Behörden, Menschenhändler, bewaffnete Gruppen oder Milizen.

50 Tote bei Rettungsaktion mit italienischem Boot

Zwar sei unklar, wie viele Mitarbeiter der libyschen Küstenwache mit Schleppern zusammenarbeiteten. Es sei jedoch klar, dass die erhöhten Kapazitäten der libyschen Küstenwache - dank der Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten - in den Jahren 2016 und 2017 vermehrt zu Einsätzen geführt hätten, bei denen Flüchtlinge nach Libyen zurückgebracht worden seien. So seien 2017 bisher 19.452 Menschen von der libyschen Küstenwache aufgegriffen, nach Libyen zurückgebracht und dann umgehend in Einrichtungen inhaftiert worden, in denen Folter an der Tagesordnung stehe.

Zudem würden von Amnesty International gesichtete Videoaufnahmen, Bilder und Unterlagen darauf hindeuten, dass am 6. November 2017 ein von Italien im April 2017 zur Verfügung gestelltes Boot - die Ras Jadir - für einen Einsatz der libyschen Küstenwache verwendet worden sei. Bei diesem Einsatz seien nach Schätzungen etwa 50 Menschen ertrunken, als sie während der teils unsachgemäß durchgeführten Rettungsaktion ins Meer stürzten bzw. vom Schiff der Küstenwache zu fliehen versuchten.

"Die EU-Staaten finanzieren in Libyen mit von uns allen bezahlten Steuern Piraterie und Sklavenhandel. Das ist ungeheuerlich. Marodierende Mörderbanden und Sklavenhändler werden mit Schnellbooten und Überwachungstechnik ausgestattet. Die Deals und Erfolgskriterien, die europäische Politiker aushandeln, führen zu einem Brutalitätsniveau, das sogar Ertrunkene in Kauf nimmt. Das sind keine menschenrechtskonforme Lösungen", kritisierte Patzelt.

Libyen ist nach dem Sturz von Machthaber Muammar Gaddafi ein weitgehend rechtloser Staat, in dem mehrere Milizen um die Vorherrschaft ringen. Das Land ist die wichtigste Durchgangsstation für afrikanische Migranten, die in die EU gelangen wollen.

(APA/Reuters)

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