EU-Plastiksteuer ist auf unbestimmte Zeit vom Tisch

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Die EU-Kommission legt Pläne gegen Kunststoffmüll vor. Ein konkreter Plan für dessen Besteuerung ist nicht Teil davon.

Brüssel. Vor einer Woche hatte Günther Oettinger, der EU-Kommissar für Haushalt und Personal, mit dem Vorschlag einer unionsweiten Steuer auf Plastik für Schlagzeilen gesorgt. Am Dienstag erteilte ihm seine eigene Behörde fürs Erste eine Absage. „Wir haben noch keinen Weg gefunden, um eine europaweite Plastiksteuer einzuführen. Es ist zu früh, um irgendetwas zu versprechen“, sagte Jyrki Katainen, Vizepräsident der Kommission, nach der wöchentlichen Sitzung der Behörde. Er sei hinsichtlich einer schnellen Umsetzung dieser Idee skeptisch, fügte der frühere finnische Ministerpräsident hinzu. Er wies zudem auf das Ziel der Kommission hin, den Kunststoffabfall zu verringern: „Je weniger Plastik wir haben, desto weniger haben wir zu besteuern.“

Auf absehbare Zeit wird es also keine EU-Steuer auf Kunststoffe geben. Ein einziger vager Satz im Papier über die Plastikstrategie der Kommission ist dieser Frage gewidmet: man werde die Machbarkeit der Einführung steuerlicher Maßnahmen auf EU-Ebene prüfen. Oettinger selbst wies in seinem Weblog daraufhin, dass die Rechtsexperten die Arbeiten an einem Vorschlag begännen. Doch es ist unwahrscheinlich, dass die Kommission dieses Thema noch in ihrer laufenden Amtsperiode Ende 2019 ernsthaft vorantreiben wird können. Der Brexit, das Ringen um den nächsten Haushalt, die Reform der Währungsunion und das ungelöste Migrationsproblem binden die politischen Kräfte der Brüsseler Behörde.

Die Kommission verfolgt mit dieser am Dienstag vorgelegten Plastikstrategie das ehrgeizige Ziel, die Verschmutzung der Weltmeere durch Kunststoffabfälle zu bremsen. Ihre Vorschläge dazu sind allerdings vage formuliert, und es ist ungewiss, wie diese Vorhaben in Rechtsform gegossen werden sollen.

Brüssel will mehr Recycling

Bis zum Jahr 2030 sollen zum Beispiel sämtliche Verpackungsmaterialien aus Kunststoff, die in der Union verwendet werden, entweder direkt wieder benützt werden oder „auf kostenwirksame Weise“ wiederverwertet werden. Um die Definition dessen, was „kostenwirksam“ ist, wird bei der dafür notwendigen Neufassung der seit 1994 mehrfach novellierten Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle ein harter Kampf zwischen Europaparlament, Mitgliedstaaten und Industrieverbänden stattfinden. Schon seit November 2016 sind die Mitgliedstaaten durch eine andere Richtlinie verpflichtet, die Verwendung von leichten Plastiksackerln zu verringern. Bis zum nächsten Jahr sollen um 80 Prozent weniger solcher Sackerln in Umlauf kommen, als das 2010 der Fall war.

Sehr unscharf ist auch das Bestreben, Mikroplastik zu bekämpfen. Das sind Teilchen mit weniger als fünf Millimeter Umfang, die ins Ökosystem der Meere gespült werden und sich unter anderem bereits in Meersalz nachweisen ließen. Die Kommission möchte deren Verwendung – ebenso wie jene von „biologisch abbaubarem Plastik“ – über eine schärfere Fassung der Chemikalienverordnung REACH eindämmen. Doch in all diesen Dossiers will die Kommission erst Ende 2018 oder im Verlaufe von 2019 konkrete Vorschläge machen – zu spät, um sie noch in dieser Amtszeit zu beschließen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2018)

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