Migration: Türkei-Deal funktioniert nicht

Lediglich 47 Migranten konnten im ersten Monat in die Türkei zurückgeschickt werden.
Lediglich 47 Migranten konnten im ersten Monat in die Türkei zurückgeschickt werden.APA/AFP/OZAN KOSE
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Trotz sinkender Ankunftszahlen schaffen es die griechischen Behörden nicht, die Inseln zu entlasten und Migranten in die Türkei zurückzuschicken.

Athen/Wien. 3963 Migranten sind seit Jahresbeginn in Griechenland eingetroffen. Die überwiegende Mehrheit kam übers Meer auf einer der Inseln an. Lediglich 47 konnten im ersten Monat in die Türkei zurückgeschickt werden. Auch im Februar war die Zahl nicht bedeutend höher. „Wir brauchen schnelle, faire Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, um Leute schnell zurückzuschicken – oder um schnell Schutz zu gewähren“, fordert Gerald Knaus, der einst den EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei mitentworfen hatte, in einem DPA-Interview. Der Vorsitzende der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI) sieht bereits Anzeichen für einen Zusammenbruch des Abkommens mit der Türkei.

Um den Flüchtlingsstrom einzudämmen, hatten EU und Türkei vor zwei Jahren vereinbart, dass Personen, die von der türkischen Küste nach Griechenland übersetzen, automatisch zurückgeschickt werden. Im Gegenzug verpflichtete sich die EU, für jede dieser Personen einen syrischen Flüchtling aus der Türkei zu übernehmen. Obwohl die Zahl der Ankommenden deutlich gesunken ist, funktioniert dieser Teil der Vereinbarung bis heute nicht. Griechenland ist mit der Abwicklung all der Anträge überfordert und sieht sich von den EU-Partnern im Stich gelassen. Klar ist aber auch, dass die Regierung in Athen wenig Interesse daran hat, die Migranten von den Inseln auf das Festland weiterreisen zu lassen.

Prekäre humanitäre Lage

39.100 Personen, überwiegend aus Syrien, kamen im vergangenen Jahr in Griechenland an. Ein großer Teil von ihnen befindet sich nach wie vor auf einer der Inseln nahe der türkischen Küste. Dort warten sie Wochen, oft Monate auf Prüfung ihrer Asylanträge. Die humanitäre Situation in den überfüllten Lagern ist prekär. Im Lager Moria auf der Insel Lesbos sind beispielsweise derzeit 5125 Migranten untergebracht, obwohl es nur für maximal 3000 Personen ausgelegt ist. Weitere 2047 wurden laut Angaben des griechischen Innenministeriums in weiteren Unterkünften auf derselben Insel untergebracht.

In der Nacht auf Donnerstag kam es auf Lesbos erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Migranten und Sicherheitskräften. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) kritisierte die Art und Weise, wie der Türkei-Deal hier umgesetzt wird, scharf. Den Preis dafür müssten die Männer, Frauen und Kinder zahlen, „die auf diesen griechischen Inseln festsitzen“.

Auch das UN-Flüchtlingshochkommissariat schlägt Alarm. Im jüngsten Bericht zur Lage in Griechenland werden die überfüllten Lager auf den Inseln kritisiert. Diese Situation, in der es für die Einzelnen keine Privatsphäre mehr gebe, erhöhe das Risiko sexueller Übergriffe. Alleinreisende Kinder hielten sich ebenfalls viel zu lang in den Lagern auf, ohne wie vorgesehen in spezielle Einrichtungen überstellt zu werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2018)

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