Macron geißelt illiberale Demokratie als falsche Antwort

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Frankreichs Präsident trat im Europaparlament für mehr europäische Souveränität ein, um gemeinsame Probleme zu lösen. Ein gewagter Plan angesichts so viel Gegenwind.

Mit eindeutigen Angriffen gegen das Modell des eben wiedergewählten ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán – die illiberale Demokratie - forderte Frankreichs Präsident am Dienstag im Europaparlament mehr liberale Demokratie und mehr europäische Souveränität. „Es darf nicht die Illusion der Macht, die mit dem Verzicht auf Freiheit verbunden ist, gewinnen. Die Antwort auf unsere Probleme ist nicht eine autoritäre Demokratie.“

Macron wies darauf hin, dass dieses Modell den Ideen der EU diametral entgegenstehe. Denn das gemeinsame Europa habe sich zu einem Modell entschieden, das den Einzelnen und die Minderheitsrechte respektiere. „Durch die Freiheit des Einzelnen, werden die Bürger erst mündig“. Zum anderen könne der von rechten Parteien propagierte Multilateralismus – gemeint ist das auch von der FPÖ propagierte Europa der Vaterländer – nie das Modell einer Gemeinschaft ersetzen.

Macron wies drauf hin, dass es eine „unheimliche Wut“ auf die EU gäbe. „Wer diese schürt, wird aber immer neue Konflikte provozieren.“ Statt dieser Wut freien Lauf zu lassen, müsse etwa die „vergiftete Debatte“ zur Flüchtlingspolitik, endlich gemeinsam überwunden werden.

Noch lange nicht vor dem Durchbruch

Frankreichs Präsident sprach sich erneut für tiefgreifende Reformen der EU aus. Wobei er sich gegen Forderungen nach einer möglichst schlanken Gemeinschaft stellte. Erstmals präzisierte er auch sein Modell einer „europäische Souveränität“. „Sie bedeutet keine Auflösung nationaler Souveränitäten. Sondern es geht um etwas starkes, das diese nationale Souveränität ergänzt. Um gemeinsam die Umwälzungen in der Welt zu bewältigen.“ Als Beispiele nannte Macron die Regeln für und die Förderung von digitaler Wirtschaft, die Währungsunion, die Bankenunion, den Klimaschutz und die Stärkung gemeinsamer außenpolitische Positionen.

Wenngleich Macron im Europaparlament mit Ausnahme der rechten Fraktionen viel Applaus erhielt, steht er ähnlich wie bei seinen nationalen Reformen auch auf europäischer Ebene noch lange nicht vor einem Durchbruch. Zur Durchsetzung etwa einer Währungsunion mit eigenem Euro-Finanzminister, einem eigenen europäischen Währungsfonds und einer zentral gemanagten Wirtschaftspolitik fehlt ihm eine breite Zustimmung unter den Mitgliedstaaten. Widerstand gibt es auch von deutscher Seite, auf die der französische Präsident lange gesetzt hatte.

Macron im EU-Wahlkampfmodus

Der Auftritt Macrons zeigte aber auch, dass der Europawahlkampf begonnen hat. Frankreichs Präsident weiß, dass er seine Ideen für eine EU-Reform nur durchsetzen kann, wenn ihm die Mehrheit der EU-Abgeordneten dafür den Rücken stärkt. Erstmals ließ er deshalb auch eine offene Debatte zu seiner Rede im Abgeordnetenhaus zu. Er hörte sich die Einwände an, reagierte auf Kritik.

Noch ist nicht klar, welcher Fraktion sich die Abgeordneten von Macrons Bewegung „En Marche“ nach der Europawahl im Mai 2019 anschließen werden. Die Liberalen unter ihrem Fraktionschef Guy Verhofstadt hoffen auf erheblichen Zuwachs durch die liberal ausgerichtete Gruppe. Aber es ist auch möglich, dass Macron nach der nächsten Europawahl eine eigene Fraktion gründet, mit der er die bisherige Machtbalance deutlich verändern könnte. Nämlich dann, wenn er über bisherige Fraktionsgrenzen hinweg dazu einlädt, sich seiner neuen Bewegung auch auf europäischer Ebene anzuschließen. Damit könnte "En Marche" mehr bewegen als innerhalb der derzeit viertgrößten Fraktion des Europaparlaments, den europäischen Liberalen.

Unterstützung aus Österreich

Die Reformambitionen Macrons stoßen auch auf Zustimmung in Österreich - etwa bei Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP): "Für die notwendige Veränderung in Europa ist Macron ein ganz wichtiger Ansprechpartner. Es gibt viele Bereiche, wo wir an einem Strang ziehen", sagte Kurz laut einer der Austria Presse Agentur vorliegenden Aussendung.

Kurz betonte, dass er sich "ein Europa der Subsidiarität" wünsche. "Wir wollen eine EU, die stärker ist in großen Fragen", und "zugleich Nationalstaaten sowie Regionen wieder Bereiche überlässt, die diese selbst besser regeln können."

SPÖ-Chef Christian Kern betonte in einer Aussendung: "Die EU muss sozialer werden, damit die Menschen wieder stärker an sie glauben können." Und Macron habe Recht, "dass wir unsere Demokratie heute vielleicht mehr denn je vehement verteidigen müssen, weil sie einen heftigen Angriff von autoritärer Seite ausgesetzt ist", betonte Kern. Zwar möge es martialisch erscheinen, wenn Macron von einem "europäischen Bürgerkrieg zwischen liberalen und illiberalen Ideen" spreche, dennoch dürfe keine Sekunde Zweifel daran bestehen, wo Österreich in diesem Konflikt stünde, so Kern.

(APA/red.)

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