Kurz: "Keine Neuverhandlung des Brexit-Deals"

Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVP
Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVPClemens Fabry, Presse
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Österreichs Bundeskanzler im Gespräch mit der »Presse am Sonntag« über die jüngsten Entwicklungen zum Riesenproblemfall Brexit.

Freitagnacht hat sich in London eine Gruppe von Regierungsmitgliedern gebildet, die offenbar Änderungen des EU-Deals verlangt. Wie soll es nun weitergehen?

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Es gibt einen klaren Fahrplan und ich bin froh, dass ein Abkommen zwischen Theresa May und der EU-Kommission möglich war. Nun gilt es, diesen Deal umzusetzen, und da hoffen wir auch auf die notwendige Zustimmung im britischen Unterhaus.

Sind Sie als EU-Ratsvorsitzender bereit, das Paket noch einmal aufzuschnüren?

Wir sind der Meinung, dass der Deal ein guter ist, und daher geht es jetzt nicht um Nachverhandlungen, sondern darum den vorliegenden Entwurf zu beschließen. Die nächste Woche wird intensiv werden, denn es ist natürlich ganz entscheidend, ob es eine Mehrheit für einen Misstrauensantrag gegen Premierministerin May geben wird. Wir haben jedenfalls als EU-Ratsvorsitz alle Vorbereitungen getroffen, um zügig voranzukommen. Schon am Sonntag kommen wir zu dieser Frage zusammen.

Es scheint aussichtslos, dass Theresa May den Deal durch das Parlament bringt. Soll Europa da helfen? Wo würden Sie Spielraum sehen?

Das liegt leider nicht in unserer Hand, sondern ist die Entscheidung Großbritanniens. Ich habe allerdings kein Verständnis dafür, dass sich einige britische Politiker nach einem Hard Brexit geradezu sehnen. Das wäre ja auch zum Schaden der EU, aber es wäre vor allem zum Schaden Großbritanniens. Ein ungeordneter Brexit kann eine massive wirtschaftliche Herausforderung für die Briten werden.

Kann es zum Problemthema Nordirland noch Bewegung geben?

Wir als Ratsvorsitzender bemühen uns, dass die Einheit unter den EU-27 gewahrt bleibt, und ich gehe davon aus, dass alle diesen Deal geschlossen unterstützen.

Aber was wird denn passieren, wenn der vorliegende Deal dann doch noch scheitern sollte?

Mit dem Fall beschäftigen wir uns in der medialen Kommunikation dann, wenn es so ist. Unser klares Ziel muss sein, dass es eine klare Mehrheit in Europa, aber auch im britischen Parlament für dieses Abkommen gibt. Es ist die Grundlage für einen geordneten Austritt und somit für ein gutes künftiges Miteinander auch nach dem Brexit. Aber selbstverständlich sind wir für alle Szenarien vorbereitet.

Würden Sie im Falle eines Scheiterns des Austrittsabkommens im britischen Unterhaus eine neue Volksabstimmung der Briten begrüßen?

Wenn es eine Mehrheit für ein Misstrauensvotum gegen Premierministerin May gibt oder zu einer Ablehnung des Brexit-Vertrags im Unterhaus kommt, dann tritt mit Sicherheit eine chaotische Situation ein, die zu allem führen kann.

Wenn die Briten sich doch noch in letzter Sekunde neu besinnen sollten: Könnten sie dann so einfach zurück zum Stand vom 22. Juni 2016, also dem Tag vor dem Austrittsreferendum, und es wären die vergangenen 30 Monate einfach vergeben und vergessen?

Ich bitte um Verständnis, dass ich in meiner aktuellen Funktion als Ratsvorsitzender nicht zu Spekulationen oder Verunsicherungen beitragen darf. Ich versuche, dass wir einen geordneten Austritt Großbritanniens zustande bringen, um zumindest das Schlimmste zu verhindern und die negativen Folgen des Brexits für beide Seiten nicht ins Unermessliche steigen zu lassen.

Sie waren gerade zu Beratungen in Brüssel, am Montag tagen die Außenminister, am Sonntag kommt der nächste Gipfel: Wie viel Ihrer Zeit kostet Sie mittlerweile eigentlich das Thema Brexit?

Der Brexit ist sicherlich mit Abstand das größte Thema unseres EU-Ratsvorsitzes und gerade in den letzten Tagen enorm zeitintensiv gewesen. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2018)

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