Kommission veröffentlicht Notfallpläne für den Fall eines ungeordneten EU-Austritts. Die Eigeninteressen der Unionsmitglieder stehen im Vordergrund.
Im Disput um die Modalitäten des EU-Austritts Großbritanniens erhöht die EU-Kommission den Druck auf London. Am Mittwoch veröffentlichte die Brüsseler Behörde detaillierte Pläne für den Notfall eines ungeordneten Brexit, mit dem Teile der regierenden Tories kokettieren. Die Notfallpläne sind „auf jene Bereiche limitiert, die vitale Interessen der EU betreffen“, und sie sind „unilateral, zeitlich beschränkt und inhaltlich eng gefasst“, wie die Kommission in ihrer Aussendung festhielt.
Die Klarstellung ist dazu gedacht, den britischen Europafeinden das Wasser abzugraben – die Befürworter eines harten Brexit argumentieren nämlich, dass die EU aus Eigeninteresse für einen sanften Bruch mit Großbritannien sorgen werde und alle Warnungen vor den Konsequenzen eines Krachs überzogen seien. Experten auf beiden Seiten des Ärmelkanals halten diese Beteuerungen für naiv, blauäugig und irreführend. Die Veröffentlichung soll in diesem Zusammenhang für mehr Klarheit sorgen und Realitätssinn stiften.
Das nun vorgestellte Paket umfasst 14 Maßnahmen, die „kein vollwertiger Ersatz für das Austrittsabkommen“ sind, sondern für eine „sanfte Landung“ für die EU sorgen sollen, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis. Weitere Notklauseln zur Schadensbegrenzung sollen in den kommenden Wochen fixiert und publik gemacht werden.
Übergangsfristen für Verkehr
Sollte es zu einem ungeordneten EU-Austritt kommen, würde die Finanzbranche dessen Auswirkungen am allerwenigsten spüren – denn EZB und Bank of England haben bereits ein- bis zweijährige Übergangszeiträume für die wichtigsten Transaktionsarten (etwa Handel mit Derivaten) vereinbart. Die Brüsseler Behörde will weiters für den Flugverkehr Übergangsfristen schaffen – etwa für die Anerkennung von Sicherheitszertifikaten und für Landerechte bei direkten Flügen zwischen Großbritannien und der EU. Keine Galgenfrist soll es indes bei den Vorschriften hinsichtlich der Eigentümerstruktur von Airlines geben – was britischen Gesellschaften das EU-Geschäft deutlich erschweren bzw. verunmöglichen würde.
Auch was den Warenverkehr anbelangt, will die EU lediglich für das Allernotwendigste sorgen. Die Kommission plant demnach erweiterte Fristen für die Einreichung von Zollerklärungen, aber keine Ausnahmen vom Zoll für britische Waren – was an der wichtigen Route Dover–Calais für einen massiven Rückstau sorgen dürfte. Entgegenkommen will die Brüsseler Behörde auch britischen Frächtern – sie sollen bis Ende 2019 nicht vom EU-Binnenmarkt ausgeschlossen werden. Voraussetzung: EU-Frächter werden in Großbritannien genauso behandelt.
Schlechte Nachrichten hat die Kommission für jene rund eineinhalb Millionen Briten, die in der EU leben und arbeiten. Die Frage ihres Aufenthaltsstatus nach einem harten Brexit sollen die jeweiligen Unionsmitglieder beantworten – die Brüsseler Behörde sieht sich nicht für die Rechte der in der EU lebenden Briten zuständig und ersucht die Mitgliedstaaten lediglich um einen „pragmatischen“ und „fairen“ Umgang.