Europawahl: EU-Parlament baut kein Bollwerk gegen Populisten

(c) REUTERS (Francois Lenoir)
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Vor der Gründung einer Parlamentsfraktionen müssen ihre Mitglieder künftig bestätigen, dass sie dieselbe politische Angehörigkeit haben. Maßnahme soll Gründung von populistischen Scheinfraktionen erschweren.

Brüssel/Wien. Die großen europäischen Parteienfamilien gehen auf Konfrontationskurs mit den links- und rechtspopulistischen Gruppierungen im Europaparlament – allerdings nur zaghaft. Die Europaabgeordneten stimmten am Donnerstag über mehrere Änderungen der Regeln zur Bildung von Fraktionen im EU-Parlament ab. Die Initiative zielte darauf ab, populistischen Parteien den Zugang zu finanziellen und organisatorischen Ressourcen des Parlaments zu erschweren. Die vom deutschen Europaabgeordneten Jo Leinen (SPD) initiierten Änderungen der parlamentarischen Geschäftsordnung kamen über einen Umweg ins Plenum – nämlich als Änderungsantrag zu einer Novelle der Transparenzregeln für EU-Abgeordnete und Lobbyisten, über die gestern abgestimmt wurde.

Gemäß der gestern beschlossenen Änderung der Geschäftsordnung müssen Europaabgeordnete, die eine Fraktion gründen wollen, künftig „eine politische Erklärung, in der der Zweck der Fraktion dargelegt wird“, abgeben und schriftlich versichern, „dass sie dieselbe politische Zugehörigkeit haben“. Die Änderung tritt mit der nächsten Legislaturperiode nach der Europawahl im Mai in Kraft.

Jener Teil des Änderungsantrags, der für die Populisten eine konkrete Gefahr bedeutet hätte, erhielt gestern zwar eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen, scheiterte aber an der Hürde der qualifizierten Mehrheit: Sollten „Belege dafür vorliegen, dass diese Zugehörigkeit möglicherweise nicht gegeben ist“, kann das Parlament „mit der Mehrheit der ihm angehörenden Mitglieder auf Empfehlung der Konferenz der Präsidenten festlegen, ob die Fraktion entsprechend der politischen Zugehörigkeit gebildet wurde“ – dieser Passus fiel im Plenum knapp durch. Wer nach der Europawahl über die Mehrheit verfügt, kann also künftig nicht darüber befinden, ob andere Fraktionen rechtmäßig gebildet worden sind.

Hintergrund: Um eine Fraktion zu gründen, werden mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens sieben EU-Mitgliedstaaten benötigt – Fraktionen werden mit zusätzlichen Geldern bedacht, ihre Mitglieder dürfen Ausschüsse leiten und auf Ressourcen des Parlaments zurückgreifen. Kritiker weisen darauf hin, dass einige Fraktionen außer dem Wunsch, finanzielle Zuschüsse zu lukrieren, inhaltlich wenig bis gar nichts gemein haben – als Negativbeispiel dient diesbezüglich die Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD), der unter anderem die rechtspopulistische United Kingdom Independence Party und die linkspopulistische Movimento 5 Stelle angehören. „Die EFDD hält nicht einmal Gruppentreffen ab, ihr einziger Daseinszweck ist das Verteilen der Pfründen“, sagte der britische Labour-Abgeordnete Richard Corbett der „Financial Times“.

Legislativer Fußabdruck

Neben dieser Änderung stimmten die Europaabgeordneten für mehr Transparenz. Künftig soll der legislative Fußabdruck von jedem Parlamentarier nachvollziehbar sein – alle an einem Gesetzgebungsprozess beteiligten Abgeordneten müssen ihre Treffen mit Lobbyisten online dokumentieren. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2019)

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