Weber und Timmermans gegen Rückkehr von IS-Anhängern

Die Debatte zwischen Manfred Weber und Frans Timmermans, den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei und der Sozialdemokraten für die Europawahl.
Die Debatte zwischen Manfred Weber und Frans Timmermans, den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei und der Sozialdemokraten für die Europawahl.(c) AFP (INA FASSBENDER)
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Grenzschutz, Steuerpolitik, Soziales: in einer ARD-Diskussion legen die Spitzenkandidaten von Europäischer Volkspartei und Sozialdemokraten grundsätzliche Unterschiede zu Tage.

Einen überraschenden Konsens brachte am Dienstagabend eine Debatte zwischen Manfred Weber und Frans Timmermans, den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei und der Sozialdemokraten für die Europawahl, zu Tage. Beide lehnen die Rückkehr jener europäischen Anhänger des Islamischen Staates, die sich derzeit in Gefangenenlagern im Irak und Syrien befinden, klar ab.

"Wir müssen dafür sorgen, dass diese Leute vor Gericht kommen, aber das muss nicht in Europa sein. Wir können ein internationales Tribunal gründen. Diese Leute müssen bestraft werden", sagte Timmermans, der früher Außenminister der Niederlande war und derzeit Vizepräsident der Europäischen Kommission ist, im Rahmen der „Wahlarena“ der ARD.

Auch Weber lehnte die Rücknahme der IS-Sympathisanten ab, warf aber ein: „Wie konnte es kommen, dass Menschen, die bei uns aufgewachsen sind, zu solchen Extremisten wurden? Das ist schon eine Frage, die wir uns selber stellen müssen."Auf den Einwand, diese IS-Anhänger hätten europäische Staatsbürgerschaften und somit einen Rechtsanspruch darauf, in ihre Heimatländer zurückzukehren, meinte Timmermans, diese könnten nach ihrer strafrechtlichen Aburteilung und Abbüßung von Haftstrafen im Ausland eventuell zurückkehren: „Aber da sind wir Jahre in der Zukunft.“ Die EU müsse sich dafür einsetzen, ein solches Straftribunal für die im Ausland befindlichen IS-Anhänger zu schaffen, und deren Unterbringung in den Lagern finanzieren.

"Kerosinsteuer unbedingt und schnell"

Ansonsten waren die beiden Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten in mehreren Punkten unterschiedlicher Ansicht. Beim Klimaschutz befürwortet Timmermans eine Steuer auf Treibhausgasemissionen, Weber lehnt sie ab. „Wir brauchen unbedingt auf europäischer Ebene eine CO2-Steuer", sagte Timmermans. „Wir müssen auch dafür sorgen, dass keine Kohle mehr in Polen und der Slowakei mehr produziert wird. Aber dafür müssen wir die Menschen dort unterstützen. Ich bin das Enkelkind von zwei Bergarbeitern, ich weiß, wie schwer das ist, wenn die Zeche zusperrt. Aber die Zeche muss zusperren.“

Weber lehnte das klar ab: „Es kann nicht sein, dass wir das über Steuern lösen.“ Das bestehende Handelssystem für Emissionszertifikate müsse stattdessen verbessert werden, zum Beispiel dadurch, dass auch der Flugverkehr daran teilnehmen muss, sprich: die Fluglinien Zertifikate für ihre Emissionen zu kaufen haben. Einigkeit hingegen gab es in der Frage der Abschaffung der Steuerfreiheit für Kerosin, was den Flugverkehr gegenüber der Bahn begünstigt: „Ich sichere Ihnen zu, dass diese Bevorzugung des Fluggeschäftes in Europa beendet wird", falls er Kommissionspräsident wird, sagte Weber. „Kerosinsteuer unbedingt und schnell. Wenn das auf internationaler Ebene nicht möglich ist, dann muss Europa das machen.

"Brauchen Frontex-Stärkung spätestens 2022"

Unterschiedlich beantworteten die beiden auch die Frage danach, wie Europas Außengrenzen besser vor irregulärer Einwanderung geschützt werden kann. Weber setzt auf die Ausweitung der Kompetenzen der EU-Grenz- und Küstenwache Frontex. Es sei jedoch „indiskutabel lange", dass diese laut Beschluss der der EU-Innenminister erst im Jahr 2027 10.000 Mann umfasse: „Wir brauchen das spätestens 2022.“

Timmermans hingegen sagte, er sei „nicht überzteugt, dass wir dieses Problem lösen mit mehr Frontex-Beamten. Viele Mitgliedstaaten schaffen das, aber sie brauchen mehr finanzielle Unterstützung. Wir brauchen auch mehr Zusammenarbeit der Polizeibehörden.“ Er verwies zudem darauf, dass das Problem des „Durchwinkens“ von Asylwerbern in Griechenland und Italien daher rühre, dass Länder wie Deutschland oder die Niederlande diesen Grenzstaaten nie bei der Bewältigung dieser Aufgabe helfen wollten. „Die Griechen, Italiener haben über Jahre gesagt: wir schaffen das nicht allein. Dann hat das Durchwinken begonnen. Wir müssen jetzt ein solidarisches Asylsystem schaffen. Aber das verweigert auch der Kurz mit Strache in Österreich."

Einig waren sich die beiden wiederum in der Wichtigkeit, die Fluchtursachen vor allem in Afrika besser als bisher zu bekämpfen: „Besser wäre es, sie blieben dort", sagte Timmermans über junge afrikanische Migranten und forderte einen „massiven Marshallplan“ sowie ein „massives Erasmus-Programm für Afrika, damit afrikanische Studenten hierher kommen und etwas lernen.“ Weber setzte mehr auf die Handelspolitik: „Das ist unser eigentliches Entwicklungstool.“ Er schlug eine „spezielle Partnerschaft für Afrika“ vor, die reformeifrigen Staaten einen präfenzierten Zugang zum europäischen Markt eröffnen sollte.

Erlös aus Digitalsteuer für Modernisierungsverlierer

Klaren Widerspruch gab es bei zwei weiteren Fragen: Während Timmermans „ganz klar ja“ zu transnationalen Wahllisten für die nächsten Europawahlen sagte (es also einige Kandidaten geben solle, die man ungeachtet der jeweiligen Staatsbürgerschaft wählen können solle), sagte Weber dazu „ganz klar nein“ und begründete dies damit, dass „eine europaweite Liste von ein paar Leuten auf fernen Parteitagen entschieden wird.“

Ebenso divergent waren ihre Antworten in der Frage der Unternehmensbesteuerung. Timmermans forderte „ein Minimum von 18 Prozent bei der Körperschaftsteuer. Aber das muss über Europa gehen, das können die Mitgliedstaaten nicht allein machen.“Weber hingegen lehnte das ab: „Ich will keine Gleichmacherei aller Steuersätze in Europa.“ Stattdessen schlug er vor, mit den Erlösen aus einer EU-Digitalsteuer „jene Branchen zu unterstützen, die unter der Digitalisierung leiden.“ Eine solche ist allerdings erst vor Kurzem im Finanzministerrat gescheitert.

Hälfte der nächsten Kommission soll aus Frauen bestehen

Auch in der Frage, wie die Sozialversicherung auf europäischer Ebene organisiert werden soll, waren sich Weber und Timmermans nicht einig. „Ich glaube nicht, dass wir heute eine europäische Arbeitslosenversicherung anstoßen sollten", sagte Weber und verwies darauf, dass es den deutschen Beitragszahlern nicht erklärbar wäre, wieso beispielsweise Griechen, die früher in Rente gingen, gleiche Bezüge erhielten.

Darum gehe es nicht, warf Timmermans verärgert ein. „Wir reden über eine Arbeitslosenrückversicherung, nicht eine Arbeitslosenversicherung.“ Sprich: einen gemeinsamen Fonds, in den alle Mitgliedstaaten einzahlen und aus dem ein Land, das unverschuldet in finanzielle Notlage gerät, sein nationales Arbeitslosensystem so lange stützen kann, bis die Krise überstanden ist. Ein solcher Vorschlag des deutschen Finanzministers Olaf Scholz ist jedoch im Kreis der EU-Finanzminister bisher nicht einmal auf das allgemeine Diskussionsstadium gelangt.

In einer wichtigen Frage schließlich sind Timmermans und Weber auf einer Linie: beide geloben, dass die Hälfte ihres Kommissionskollegiums aus Frauen bestehen solle.

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