Frankreich: Ein Philosoph und traditioneller Moralist für die EU-Wahl

François-Xavier Bellamy will die Konservativen wiederbeleben.
François-Xavier Bellamy will die Konservativen wiederbeleben. (c) APA/AFP/GEOFFROY VAN DER HASSELT (GEOFFROY VAN DER HASSELT)
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Die konservative Partei, Les Républicains, hat mit der Nominierung ihres jungen Spitzenkandidaten überrascht.

Paris. Von den jungen Talenten, die bei dieser EU-Wahl von ihren Parteien als Spitzenkandidaten ins Rennen geschickt werden, ist der konservative François-Xavier Bellamy vielleicht der Einzige, der mit seiner Wahlkampagne mehr als bloß seine Pflicht getan hat. Er entspricht dem Profil der Wähler, die Parteichef Laurent Wauquiez in Opposition zum liberalen Staatspräsidenten, Emmanuel Macron, mit einem klaren Rechtskurs zurückgewinnen möchte. Schon sein Vorname klingt in Frankreich ein wenig nach Belle Époque, und die Guy-de-Maupassant-Leser werden durch den Familiennamen Bellamy zweifellos an den Romanhelden Bel Ami erinnert. Dass der Bannerträger der Partei Les Républicains (LR) zudem im zutiefst royalistischen Versailles geboren worden ist, komplettiert das Bild eines erzkonservativen Bourgeois, dessen Ideale von seinen politischen Gegnern gern zum Zerrbild karikiert werden.

Hinzu kommt, dass Bellamy ihnen dafür selbst Angriffsflächen bietet, indem er in Moral- und Gesellschaftsfragen wie Abtreibung, Homoehe oder medizinisch assistierter Fortpflanzung den Positionen der konservativen Kirchenhierarchie nahesteht. Er möchte auch nicht verheimlichen, dass er ein praktizierender Katholik ist. Für die Wahlkampagne habe das aber keine Bedeutung. „Der Rosenkranz dient nicht dazu, in Wahlmeetings vorgezeigt zu werden, wie dies Matteo Salvini macht“, sagt er. Zum Thema Homoehe meint er kategorisch: „Eine Familie besteht aus einem Mann und einer Frau, auf der die natürliche Realität des Gebärens beruht.“

Was er persönlich zum Schwangerschaftsabbruch oder zu den Forderungen der LGBT-Kreise denke, sei privat und gehe seine Wähler nichts an, behauptet er. Diese aber fühlen sich von diesem jungenhaften Politiker, der sie aus seinen blauen Augen mit einer fast an Naivität grenzenden Frische anblickt, gerade wegen solcher traditionell moralischer Überzeugungen angezogen. Seine Absage an den „Modernismus“ und an die „Fortschrittsgläubigkeit“ von Emmanuel Macron kommt bei ihnen gut an.

Ein Grünschnabel in der Politik ist Bellamy allerdings keineswegs. Er ist seit 2008 Vizebürgermeister von Versailles, und 2017 bewarb er sich – allerdings ohne Erfolg – um einen Abgeordnetensitz in der Nationalversammlung. Entmutigen ließ er sich dadurch nicht. Die Nominierung an die Spitze der LR-Liste bietet ihm die Chance zu einer Revanche. Die Konservativen haben mit ihm zwar noch kein Sprungbrett zur Rückkehr an die Macht, aber immerhin schon einmal ein gefälliges Gesicht.

Überschäumende Ambitionen kann Bellamy für den 26. Mai freilich nicht haben. Die Umfragen sagen seiner Liste den dritten Platz mit einem Stimmenanteil von zwölf bis 15 Prozent voraus. In das Duell um den ersten Platz zwischen dem Regierungslager mit der von Nathalie Loiseau angeführten Liste Renaissance und den Rechtspopulisten von Marine Le Pen kann sich Bellamy nicht einmischen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2019)

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