Warum die Kanzlerin völlig "fedidwgugl" ist

Angela Merkel auf der CDU -Jahrespressekonferenz.
Angela Merkel auf der CDU -Jahrespressekonferenz.(c) imago/Jens Schicke (Jens Schicke)
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Angela Merkel führt einen Wohlfühl-Wahlkampf, der sich im sogenannten "#fedidwgugl Haus"verdichtet. Aber noch lauern ein paar Gefahren auf dem Weg zur Ära Merkel IV.

Der erste Gedanke, der sich aufdrängt: Irgendjemand in der CDU-Parteizentrale muss über der PC-Tastatur oder dem Handy eingeschlafen sein. So wie mutmaßlich Donald Trump, als er sein berühmtes „covfefe“ in den Twitter-Orbit jagte. „Fedidwgugl“, mit diesem „Hashtag“ zieht die CDU in die Wahl. Ernsthaft. Der Buchstabensalat ist eine Abkürzung für den zentralen Parteislogan dieses Merkelschen Wahlkampfs: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ Überall in Berlin lächelt einen die Kanzlerin mit diesem Satz milde an. Das soll ein wohliges Gefühl über das Land reden. Die gute Wirtschafslage trotz aller Krisen rundherum! Aber irgendwie steht dieses „fedidwgugl“ auch für die Inhaltsarmut, an der dieser Wahlkampf – noch – krankt. Mit der Gegenthese: „Für ein Deutschland, in dem wir schlecht und ungern leben“ tritt ja niemand an. Bisher trübten nur ein paar rechte Pfeifkonzerte für Merkel in Ostdeutschland den Wohlfühl-Wahlkampf.  Die SPD zeigt auf ihren Kleinplakaten übrigens nur Martin Schulz. Ohne zusätzliche Botschaft. Die persönlichen Umfragewerte des Kanzlerkandidaten im Vergleich zur Amtsinhaberin hält man im Willy-Brandt-Haus offenbar für „fake news“.

Dieser Hashtag – fedidwgugl -  ist so schwer zu fassen und kompliziert, dass man ihn schon fast wieder gut finden kann. Ein bisschen geht es vielen Deutschen so mit ihrer Kanzlerin, schwer zu fassen, keine Bürgerkanzlerin, komplizierter Politikersprech, aber irgendwie gut so. Angela Merkel hat nur zwei Probleme: Das erste ist, dass sie eben keine große Rednerin ist und ihr Herausforderer als recht schlagfertig gilt – und deshalb als Favorit ins TV-Duell am Sonntag geht. Vielleicht also schrumpft der Haushoch-Vorsprung der CDU von 14 bis 15 Prozentpunkten nach diesem Sonntag wieder ein bisschen. Das zweite, gewichtigere CDU-Dilemma lautet, dass die Wähler, auch jene der Union, die Bundestagswahl für gelaufen halten könnten, und deshalb nicht hingehen. Bisher hatte Merkel ja in Wahlkämpfen auf die asymmetrische Demobilisierung gesetzt -  der Fachsprech für das Ignorieren oder Übernehmen der Positionen des Gegners, um dessen Wähler von der Urne fernzuhalten. Diesmal könnte es eine symmetrische Demobilisierung werden, wie der Politexperte Oskar Niedermayer jüngst am Rande eines „Presse“-Interviews witzelnd warnte.

Im begehbaren CDU-Programm

Deshalb sagt die CDU-Kanzlerin bei jeder Gelegenheit, dass noch nichts entschieden ist, deshalb pumpt ihre CDU 20 Millionen Euro in diesen Wahlkampf. Und deshalb gibt es nun das #fedidwgugl-Haus in Berlin-Mitte. Ein begehbares CDU-Programm. Von politischen Inhalten wird man hier, vorsichtig formuliert, nicht erschlagen. Man kann hier in einem Computerspiel Hassbotschaften ausweichen. Die Digitalisierung und „Cybercrime“ sind ja immer Thema. Noch netter ist der Europa-Raum im fedidwgugl-Haus, in dem man seinen Namen auf einen digitalen Sternenhimmel aufleuchten lässt. „Jürgen“ steht jetzt am Firmament. Zuvor muss man aber in den Computer eingeben, was man an Europa toll findet – Demokratie, Menschenrechte, die Freiheit?

In den aufgetürmten Familienkisten nebenan versteckt sich indes ein CDU-Wahlzuckerl: Dort liegen ein paar Bündel Scheine – die 24.000 Euro Falschgeld stehen für ein zentrales Unionsversprechen in diesem Wahlkampf: das Baukindergeld. Pro Kind und Jahr 1200 Euro. Maximal 10 Jahre. Und weil auf dem Bild darunter eine Familie mit zwei Kindern ist, macht das hochgerechnet über viele Jahre 24.000 Euro.

Eine noch wichtigere Merkel-Botschaft in diesem Wahlkampf flimmert in der Mitte des fedidwgugl-Hauses auf der Leinwand. Dort laufen die Wirtschaftszahlen, das BIP schraubt sich immer weiter in die Höhe, die Arbeitslosenzahlen schrumpfen. Da soll einem wohl wieder der Wahlspruch in den Sinn kommen: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ Fedidwgugl! Ein Bill-Clinton-Stratege hat das im Wahlkampf bekanntlich einmal anders formuliert: „It’s the economy,stupid!“

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Jürgen StreihammerBerlin Korrespondent Jürgen Streihammer schreibt in der Rubrik "Post aus Berlin" täglich aus der deutschen Hauptstadt. Aktuelles, Spannendes, Informatives - manchmal auch mit einem kleinen Augenzwinkern.

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