Raumfahrt: Die Suche nach Leben in der Kälte

Jupiter-Eismond Europa, ein Hort des Lebens?
Jupiter-Eismond Europa, ein Hort des Lebens? (c) REUTERS (NASA)
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James L. Green, der neue Chefwissenschaftler der Nasa, sprach in Wien vom Stand der Dinge bei der Planetenforschung – und wieso man auf Eismonden Leben wähnt.

Wien. Wenn die Sonne die weiten Plätze im Museumsquartier schon am Vormittag auf die 30-Grad-Marke aufheizt und Menschen sich unter Sprühregen von Rasensprengern stellen, dann tut es gut, wenn einem im kühleren Naturhistorischen Museum der neue Chefwissenschaftler der Raumfahrtbehörde Nasa erzählt, dass man heute ganz kalte Körper als günstige Orte für Leben erachtet: nämlich Eismonde von Jupiter und Saturn.

Der Weltraumphysiker James L. Green, seit 1980 bei der Nasa, wurde mit Wirkung Anfang Mai von der US-Regierung auf seinen Posten gehoben, der für den Kurs der Nasa im All maßgeblich ist. Zuvor leitete er die Planetenerkundung. Diese Woche war er bei einer Konferenz der UNO in Wien und hielt am Naturhistorischen Museum einen Vortrag vor Schülern über die Suche nach früherem, ja aktuellem Leben im Sonnensystem.

Die Nasa habe in jüngster Vergangenheit die „initiale Phase“ der Erkundung aller großen Körper im Sonnensystem beendet, inklusive der Asteroiden und, seit den 1980ern, des Kuipergürtels: Das ist eine riesige Trümmerregion jenseits der Neptunbahn bis zum mehr als 50-fachen Abstand von der Erde zur Sonne, von wo heraus Kometen ihre Bahn nehmen und Zwergplaneten kreisen, darunter Pluto. Heute könne man, so Green, einiges über Möglichkeiten für Leben im Sonnensystem sagen.

James L. Green in der Direktion des Naturhistorischen Museums; die künstlerische Darstellung einer thermonuklearen Explosion im Hintergrund hat mit dem Thema indes nichts zu tun.
James L. Green in der Direktion des Naturhistorischen Museums; die künstlerische Darstellung einer thermonuklearen Explosion im Hintergrund hat mit dem Thema indes nichts zu tun.APA/ROBERT JAEGER

Etwa, dass unsere Nachbarn Venus und Mars noch vor Hunderten Millionen Jahren recht erdähnlich waren, mit Ozeanen aus Wasser und mehr oder weniger Sauerstoff in der Atmosphäre. Doch wiewohl alle Planeten etwa gleich alt sind (4,5 Milliarden Jahre), wurde Venus ein tödlicher Ort, wo Blei schmilzt und der Druck der CO2-Atmosphäre so wie in Erdmeeren in 940 Metern Tiefe ist. „Es war dort nicht immer so“, sagt Green, der sich für historische Ballonfahrt interessiert. „Wir fanden heraus, dass die Venus Milliarden Jahre lang sehr erdähnlich war. Eine Meereswelt. Ein blauer Planet“. Dabei half eine schwächere Sonne. „Venus war vielleicht der erste bewohnbare Planet der Sonne.“

Bezüglich des Mars gab die Nasa vorige Woche bekannt, dass der Rover Curiosity an einem früheren offenkundigen Meeresufer gegraben und dort viele für Leben wichtige Elemente und organische Verbindungen gefunden habe, darunter Nitrate (gut für Dünger) und Methangas: „Auf der Erde entsteht das zu 95 Prozent aus biologischen Prozessen (etwa Verdauung, Anm.). In gewissen Jahreszeiten kam Feuchtigkeit aus den Böden: Wasser. Es gibt Grundwasser. Unter der CO2-Eisdecke am Nordpol ist Wassereis. Würden wir das schmelzen, ließe sich ein Siebtel des Ur-Ozeans füllen.“ 2020 solle ein neuer Rover zum Mars fliegen, der erstmals Bodenproben zur Erde schickt.

Warme Quellen in Eismonden

Die Sensation aber sei die Existenz flüssigen Wassers in den Regionen jenseits des Asteroidengürtels, wo das Sonnenlicht an sich zu schwach ist, um Eis anzutauen bzw. zu sublimieren (in kalten Dampf zu verwandeln). Es geht um den Jupitermond Europa und den Saturnmond Enceladus: „Beide haben Eiskrusten und flüssige Meere darunter. Wir glauben, auf Europa gibt es doppelt so viel Wasser wie auf der Erde.“ Man sah Geysire, Wasserdampfwolken, Eisplattentektonik. Europa sei ein fast „lebender Körper, seit 4,5 Milliarden Jahren“ und ein „exzellenter Ort“ – nicht nur für simples Leben.

Enceladus speist durch Wasserdampf einen Ring des Saturn: „Die Sonde Cassini fand in den Ausgasungen Karbonverbindungen und Cyanide. Das heißt, der Mond hat einen felsigen Kern, mit dem der Ozean Kontakt hat.“ Im Grenzbereich dürften hydrothermale Quellen sein, wo es aus dem Kern ausgast – wie bei „Black Smokers“ am Grund von Erdmeeren. Sie gelten als die mögliche Lebensquelle, dort gibt es Bakterien (Archaebakterien) und einfache Lebewesen wie Weichtiere. Die Wärme im Kern dürfte von der Gravitation des Saturn herrühren, der Enceladus regelrecht durchknetet. Europa aber, so der Physiker, sei der wahrscheinlichste Ort für einfaches Leben. In den 2020ern soll der Satellit Europa Clipper Europa studieren, in den 2030ern ein Roboter landen und eventuell einen heizbaren Bohrer absetzen, der sich durch die Kruste schmilzt und ein Mini-U-Boot absetzt.

Trump als Weltraumfreund

Finanziell stehe die Nasa unter Präsident Donald Trump, den er noch nicht getroffen habe (um die Nasa kümmert sich Vizepräsident Mike Pence), trotz höherer Militärausgaben nicht schlechter da. In den vergangenen Jahren habe sich das Budget (2018: etwa 20,7 Mrd. Dollar) generell erhöht, das Wissenschaftsbudget von 1,5 Mrd. Dollar (1,3 Mrd. Euro) unter Vorgänger Barack Obama auf 2,2 Mrd. Dollar. Das dürfte die Herzen der Weltraumforscher erwärmen.

Zur Person

James L. Green (geboren in Iowa) ist seit Mai Chefwissenschaftler der Nasa und führend bei der Wahl der Forschungsprogramme bzw. -ziele. Der Weltraumphysiker ist seit 1980 in der Nasa, baute ein Datennetzwerk für Space Physics auf, war seit 2006 Chef der Abteilung für Planetenwissenschaft und bei Sonden etwa zum Pluto und Jupiter beteiligt. Er beriet Regisseur Ridley Scott für dessen Film „Der Marsianer“ (2015) und interessiert sich für historische Ballonfahrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2018)

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