Airport Schönefeld: delayed

Sieht fertig aus, ist er aber nicht: Berlins neuer Flughafen (BER) erinnert derzeit an eine Geisterstadt.
Sieht fertig aus, ist er aber nicht: Berlins neuer Flughafen (BER) erinnert derzeit an eine Geisterstadt.(c) Caro / picturedesk.com
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Seit fünf Jahren versuchen Berlin und Brandenburg einen Flughafen zu eröffnen. Doch am BER tauchen ständig neue Probleme auf. Das hat nicht nur finanziell weitreichende Auswirkungen.

Das Hinweisschild an der Autobahnabfahrt hat etwas ungewollt Komisches. „Flughafen Berlin Brandenburg“ steht da, aber das Flugzeugsymbol daneben ist durchgestrichen. Im Grunde erzählt das schon die ganze Geschichte: Hier gibt es einen Flughafen, aber nichts, das fliegt.

Dabei scheint alles fertig zu sein. Ein Verkehrsleitsystem führt durch das Gelände, vorbei an Parkhäusern, Hotels, Containern und Büros, hin zum Terminal. Links geht es zu den Ankünften, rechts zu den Abflügen. Aber niemand kommt an und niemand fliegt weg. Wie eine Filmkulisse ohne Schauspieler. Eine Stadt ohne Menschen.

Nur die Arbeiter sind da. Vor dem Haupteingang brütet eine kleine Gruppe über einem Plan. Der Terminal ist abgesperrt. Durch die Glasfront sind Ordner zu sehen, die wohl aufpassen, dass sich kein Unbefugter Zutritt verschafft. Ein Blick von draußen ist gestattet. Einrichtungsmäßig sieht das schon sehr nach Flughafen aus: Rolltreppen, Förderbänder, Monitore. Lange kann es nicht mehr dauern. Denkt man. Doch das haben hier schon viele gedacht.

Bis auf Weiteres bleibt der neue Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld, südlich von Berlin in Brandenburg gelegen, jedenfalls geschlossen. Vor einer Woche mussten Bürgermeister Michael Müller und Flughafenchef Karsten Mühlenfeld wieder einmal verkünden, dass der Eröffnungstermin nicht hält. Dieses Mal hätte es im November 2017 so weit sein sollen.

Allerdings macht die elektronische Türsteuerung Probleme. Die Türen sollten im Brandfall automatisch schließen. Leider wurden 1200 Stück falsch verkabelt. Zudem funktioniert die Sprinkleranlage noch immer nicht. Auch hier wurde schlecht gearbeitet. Für eine Eröffnung noch in diesem Jahr sei das Risiko zu hoch, sagte Mühlenfeld.

Pleiten und Pannen.
Die Geschichte vom Problem-BER wurde damit um ein weiteres Kapitel fortgeschrieben. Sie beginnt Mitte der Neunziger, als sich Berlin, Brandenburg und der Bund entschließen, einen neuen Flughafen am Standort Schönefeld zu bauen. 2007 will man ihn eröffnen. Tempelhof und Tegel sollen danach geschlossen werden.

Zunächst scheitert der Versuch, ein privates Konsortium zu finden, das den Flughafen baut und betreibt. Im Jahr 2003 übernehmen der Bund und die beiden Länder. Doch Klagen führen zu erhöhten Lärmschutzauflagen und verzögern das Projekt weiter. Am 5. September 2006 kommt es endlich zum Spatenstich. Man peilt einen neuen Eröffnungstermin an: Oktober 2011.

Daraus wird Juni 2012, dann März 2013, danach Oktober 2013. Zwischenzeitlich will man sich nicht mehr festlegen, tut es dann aber doch: 2015, März 2016, Ende 2017. Dazwischen wurde Tempelhof geschlossen (2008), ging eine Planungsfirma pleite, wurde ein Betrüger entlarvt, tauchten regelmäßig Baumängel auf, wurden Eröffnungseinladungen verschickt (2012) und Geschäftsführer ausgetauscht. Und das ist jetzt nur die Kurzzusammenfassung.

Die Pannenserie kommt die öffentliche Hand teuer zu stehen: Die Eigentümer gehen davon aus, dass der BER bis zur Fertigstellung rund 6,5 Milliarden Euro kosten wird und nicht, wie ursprünglich veranschlagt, 2,5 Milliarden. Das liegt unter anderem auch daran, dass der Betrieb des leeren Flughafens monatlich 17 Millionen Euro verschlingt. Und dass gleichzeitig Mieteinnahmen von 14 Millionen entfallen.

Die Auswirkungen sind bis ins Berliner Stadtzentrum hinein zu spüren, vor allem rund um den Flughafen in Tegel, der chronisch überlastet ist. Erschwerend kommt nämlich hinzu, dass der Flugverkehr über Berlin seit Jahren stark zunimmt. Im Vorjahr gab es mit fast 33 Millionen Passagieren einen neuen Rekord. 11,7 Millionen wurden am alten Gelände in Schönefeld abgefertigt, der Rest kam in Tegel an.

Dabei sollte der alte Stadtflughafen schon seit 2012 geschlossen sein. Stattdessen wurden 40 Millionen Euro investiert, um den Betrieb fortsetzen zu können. Und wie es aussieht, muss der TXL noch eine Weile durchhalten. Das gilt auch für die Anwohner, die mit Lärm und sogenannten Wirbelschleppen zu kämpfen haben. Durch diese Luftverwirbelungen, die hinter Flugzeugen entstehen, werden in der Nähe der Landebahnen immer wieder Wohnhäuser beschädigt. Fliegende Dachziegeln sind in Tegel keine Seltenheit.

Auch das Nachnutzungskonzept hängt in der Warteschleife. Der Terminal soll in einen Campus für 2500 Studenten umgebaut werden. Auf dem Gelände sind ein Industriepark für rund 17.500 Beschäftigte und 5000 Wohnungen geplant, die das boomende Berlin dringend brauchen würde.

Merkel wird ungeduldig. Es gibt aber auch Stimmen, die Tegel erhalten wollen. Die Berliner FDP sammelt gerade Unterschriften für ein Volksbegehren und wird dabei von Ryan Air unterstützt. Die irische Fluglinie, die ihren Stützpunkt in Schönefeld hat, ist der Meinung, dass ihre Wachstumschancen eingeschränkt sind, wenn es künftig nur noch einen Flughafen in Berlin gibt. Allerdings geht das Unterschriftensammeln nur schleppend voran.

Die Bundesregierung hat sich von Tegel längst verabschiedet. Man stehe zu den Plänen in Schönefeld, heißt es. Aber Kanzlerin Angela Merkel verliert langsam die Geduld. „Dass die neuerliche Verschiebung keine schöne Situation für Berlin oder Deutschland ist, mit der wir Werbung für uns machen, ist, glaube ich, jedem klar“, sagte Merkels Sprecher Steffen Seibert diese Woche. Auch im Aufsichtsrat des BER liegen die Nerven blank. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke verlangt, dass die technischen Arbeiten noch heuer abgeschlossen werden, damit der Flughafen 2018 in Betrieb gehen kann. „Wir planen ja keine Mondladung.“

Doch Geschäftsführer Karsten Mühlenfeld will sich, wohl aus Angst vor der nächsten Blamage, nicht festlegen. Zumal auch eine Eröffnung im Frühjahr 2018 fraglich scheint. Laut Verkehrsministerium muss der Termin 13 Monate davor den Fluglinien bekannt gegeben werden. Doch dazu sieht sich das Management im Moment noch nicht in der Lage. Es könnte also wieder einmal knapp werden.

Womit wir dann im Herbst 2018 angelangt wären. Oder ist auch das unrealistisch? „Es entbehrt jeder Grundlage, über 2019 oder 2020 zu diskutieren“, sagte Mühlenfeld dem „Tagesspiegel“. Immerhin gibt es jetzt einen Termin für die Terminplanung: Man will im Frühjahr 2017 bekannt geben, wann genau im Jahr 2018 eröffnet werden soll.

In Berlin schüttelt man nur noch den Kopf, wenn das Stichwort BER fällt. Auf den Stammtischen wie im Rathaus. Vielleicht hilft ein Blick nach Hamburg. Dort wurde im Jänner die Elbphilharmonie, Deutschlands andere Endlosbaustelle, fertiggestellt. Auch das wurde nicht mehr für möglich gehalten.

IN ZAHLEN

2017 wird nicht das Jahr sein, in dem Berlins neuer Flughafen (BER) in Schönefeld eröffnet. Die technischen Probleme sind zu gravierend. Das nächste Ziel ist ein Termin im Jahr 2018.

6,5 Milliarden Euro soll der BER am Ende kosten. Ursprünglich waren 2,5 Milliarden Euro veranschlagt.

40 Millionen Euro wurden seit 2012 – dem Jahr, in dem er eigentlich geschlossen werden sollte – in den Stadtflughafen Tegel investiert. Damit der Betrieb aufrecht erhalten werden kann.

33Millionen Passagiere wurden vergangenes Jahr in Berlin abgefertigt. Das war ein neuer Rekord. 11,7 Millionen kamen am alten Flughafen in Schönefeld an. Der Rest entfiel auf Tegel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2017)

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