Das schwere Erbe von Drogenboss Escobar

Sebastian Marroquin 2009 in Buenos Aires.
Sebastian Marroquin 2009 in Buenos Aires.(c) REUTERS (� Enrique Marcarian / Reuters)
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Der Sohn des berüchtigten Kokain-Königs Pablo Escobar, Juan Sebastian Marroquin Santos, erzählt in einem Buch über das Leben im Schatten eines Verbrechers.

Juan Pablo Escobar. Kein Name, der es einem leicht macht, wenn der Vater Pablo Escobar heißt und man aufgewachsen ist inmitten von Fürsorge und Verbrechen. "Die logische Option in dieser Mafiakultur wäre es gewesen, den Weg des Vaters fortzusetzen", sagt Escobar bei einem Treffen in Buenos Aires. Sein anderer Name, unter dem er heute lebt, ist Juan Sebastian Marroquin Santos.

Der 39-Jährige arbeitet als Architekt und bringt dieser Tage ein Buch darüber heraus, wie er seinen Vater erlebt hat. Ins Deutsche übersetzt trägt es den Titel "Pablo Escobars Taten: Was mir mein Vater nie erzählt hat".

Dafür hat er sich auf die Suche nach kriminellen Freunden des Vaters von früher gemacht. Herausgekommen sind Informationen über Bündnisse mit denen, die ihn offiziell bekämpften, bis hin zur CIA. Es wucherte die Korruption, Escobar hatte Geld, um sich Gefolgschaft zu kaufen. Das erkläre, wie er zu einer solchen wirtschaftlichen und militärischen Macht kommen konnte, erläutert sein Sohn.

Ein Leben in bizarrem Reichtum

Für ihn war es eine Kindheit der Widersprüche. "Es störte ihn, wenn du nicht 'danke' oder 'bitte' gesagt hast. Auf der anderen Seite schickte er Leute zum Töten. Nie hat er mir gesagt, folge meinem Weg. Ich bin das Resultat seiner Erziehung und seiner Liebe", sagt Escobar.

Anfang der 1980er-Jahre lebte die Familie ein Leben in Saus und Braus, mit Jetskis, Flugzeugen, teuren Autos, einer riesigen Hacienda, einem eigenen Zoo. Bizarrer Reichtum. Escobar war einer der vermögendsten Menschen der Welt, dank der Milliarden aus den Kokaingeschäften des Medellin-Kartells. Er hatte sich den Staat quasi zur Beute gemacht. Zeitweise hatte Escobar sogar einen Sitz im Abgeordnetenhaus.

Legendär war die Hacienda Napoles mit Flugplatz, Pools und einem künstlichen See. Am Eingangstor hing das erste Flugzeug, mit dem Escobar Kokain geschmuggelt hatte. Und für den Zoo wurden Nashörner, Elefanten, Tiger, Flusspferde und Zebras herbeigeschafft. Heute ist dort ein Freizeitpark, in dem Safaris unternommen werden können. Doch selbst hier wurde vor den Augen von Gästen gemordet, bis hin zum Ertränken im Pool. Das Medellin-Kartell soll für mindestens 6000 Morde verantwortlich seien, basierend auf Aussagen von Mitgliedern.

Pablo Escobar und seine Frau.
Pablo Escobar und seine Frau.(c) REUTERS (� Reuters Photographer / Reuter)

Vorbei mit dem normalen Leben

Den Vater beschreibt der junge Escobar dennoch als äußerst liebevoll. Die Fassade fing an zu bröckeln, als die Familie nach der auf Geheiß von Escobar am 30. April 1984 erfolgten Ermordung von Justizminister Rodrigo Lara Bonilla fliehen musste. Präsident Belisario Betancur erklärte Escobar gewissermaßen den Krieg. Die Familie siedelte nach Panama. "Damit sagte er klar, ich werde immer ein Bandit sein." Dem damals sieben Jahre alten Sohn dämmerte langsam, womit der Vater sein Geld verdiente.

Mit dem "normalen Leben" war es nun vorbei, sie wurden gejagt, ein Leben im Untergrund. Trotzdem ist Juan Pablo Escobar heute befreundet mit Roberto Lara, dem jüngsten Sohn des ermordeten Justizministers. "Ich habe mehrere Erfahrungen der Versöhnung gemacht mit Menschen, die die Gewalt meines Vater spüren mussten." Es ist sein Umgang mit dem schweren Erbe, Konfrontation mit den Taten. Diese Begegnungen mit Opfern wurden auch in einer preisgekrönten Dokumentation verarbeitet.

Am 2. Dezember 1993 starb Pablo Escobar in einer Polizeioperation - nachdem er ein Jahr zuvor aus einem Luxusgefängnis geflohen war, dass er selbst hatte bauen lassen. Einige Tage zuvor hatte die Familie noch versucht, nach Deutschland zu fliehen, wo ein Bruder und ein Neffe des Drogenbarons lebten. Aber als meist gesuchter Mann der Welt waren die Fluchtmöglichkeiten gering. In seinen letzten Stunden rief Escobar sieben Mal die Familie an, erzählt der Sohn - die Sicherheitskräfte konnten ihn wegen der Anrufe orten. Für den Sohn passt das ins Bild: Escobar wusste, es gab keinen Ausweg mehr.

Trauer um den Kokain-König.
Trauer um den Kokain-König.Reuters/Jose Gomez

Ein Kuss für den berüchtigten Opa

"So oft seine Familie angerufen zu haben, das deutet klar auf einen Selbstmord hin", sagt der 39-Jährige. Auch die forensischen Untersuchungen legten nahe, dass er sich selbst erschossen habe und nicht von dem Spezialkommando zu Strecke gebracht worden sei, wie die offizielle Version der Geschichte lautet. "Ich habe keinen Zweifel, dass er sich selbst umgebracht hat."

Den heutigen Friedensprozess in Kolumbien, die Waffenabgabe der Farc-Guerilla und deren Aufgabe des Drogenhandels, sieht der junge Escobar als eine große Chance. "Das kolumbianische Volk hat die Verpflichtung, Frieden zu schließen und den Frieden zu erhalten."

Mit seiner Mutter, Maria Isabel Santos, und seiner Schwester Manuela war er nach einer kurzen Station in Mosambik 1994 nach Argentinien gekommen, wo er seit nun 23 Jahren in Buenos Aires lebt. Er ist verheiratet und Vater eines vierjährigen Sohnes. Den berüchtigten Opa kennt dieser nur aus dem Fernsehen. Wenn Pablo Escobar dort mal wieder in einer Dokumentation auftaucht, rennt der Kleine zum Bildschirm. Und gibt ihm einen Kuss.

(APA/dpa/Juan Garff und Georg Ismar)

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