Jagd der Arbeitslosen auf Ausländer in Südafrika

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TOPSHOT-SAFRICA-MIGRANTS-POLITICS-DEMO(c) APA/AFP/MARCO LONGARI
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Die Arbeitslosenquote ist im vergangenen Jahr auf ein Zwölfjahreshoch gestiegen. Die Wut darüber entlädt sich nicht etwa auf die Regierung, sondern auf die Immigranten des Landes.

Kapstadt. Die Bilder aus Pretoria sind allzu vertraut. Hunderte zogen am Freitag bei einem fremdenfeindlich motivierten Marsch durch die Straßen der südafrikanischen Hauptstadt, sie warfen Steine, die Polizei antwortete mit Gummigeschossen und Tränengas. Viele Geschäfte waren geschlossen, besonders die von Ausländern, die teilweise selbst zu Schlagstöcken griffen, um sich zu verteidigen.

Erneut erlebt Südafrika eine Woche der Gewalt gegen die nach UN-Angaben rund drei Millionen Immigranten im Land. Hinter den Protesten steckt die Bürgergruppe Mamelodi Concerned Residents aus einem Township in Pretoria. Sie wirft Ausländern vor, Einheimischen Jobs wegzunehmen und für Prostitution und Drogenhandel verantwortlich zu sein – Vorwürfe, die von den Einwanderern vehement zurückgewiesen wurden.

Im Lauf der Woche wurden in Pretoria und Johannesburg über 40 Geschäfte von Somaliern und Pakistanern geplündert. In den sozialen Netzwerken kursierte das Bild eines angeblich erschossenen Nigerianers, die Behörden dementierten jedoch, dass es bei den Protesten Tote gegeben habe.

Doch das Land ist alarmiert. Vor zwei Jahren, bei der jüngstenen größeren Welle fremdenfeindlicher Übergriffe, hat es sieben Tote gegeben. Weltweite Schlagzeilen haben Angriffe auf Ausländer in zahlreichen Townships des Landes gemacht, bei denen über 60 Menschen ums Leben kamen. „Es ist falsch, alle Ausländer als Drogendealer darzustellen“, sagte Präsident Jacob Zuma. Er appellierte an die Angreifer, die „Isolierung derjenigen, die Verbrechen begehen“ den Behörden zu überlassen.

63 Festnahmen bei Spar

Während es wie in den Vorjahren nur wenige Verhaftungen von Plünderern gab, startete die Polizei Razzien gegen illegale Migranten. Die Behörden kontrollierten zahlreiche Firmen. Allein bei der Supermarktkette Spar gab es 63 Verhaftungen. „Seid gewarnt, wir haben euch im Blick“, sagte Innenminister Malusi Gigaba an Unternehmen gerichtet, die illegale Einwanderer beschäftigen. Man werde illegale Arbeiter verhaften, aber auch die Arbeitgeber bestrafen.

Der Chef der Nelson-Mandela-Stiftung, Sello Hatang, teilte mit, er sehe die Tendenz, Andersartiges herabzuwürdigen. „Wir appellieren an alle Südafrikaner, Verantwortung zu übernehmen und die Gastfreundschaft zu unterstützen, die unsere demokratische Grundordnung ausmacht.“ Die aktuellen Vorgänge würden „internationale Schande“ über Südafrika bringen.

Anfang Februar beschwerten sich die Regierungen aus Nigeria und Simbabwe offiziell über Angriffe auf ihre Staatsbürger in Südafrika. Besonders in Nigeria, das im Anti-Apartheid-Kampf viele südafrikanische Aktivisten aufgenommen und finanziell unterstützt hatte, wurde gegen die Übergriffe protestiert. Demonstranten verbrannten eine Fahne vor der südafrikanischen Botschaft in Abuja und forderten Entschädigungszahlungen für Nigerianer, die in Südafrika ermordet wurden.

Südafrikas Arbeitslosenquote hat im vergangenen Jahr mit 27,1 Prozent den höchsten Stand seit über zwölf Jahren erreicht. Gründe dafür ließen sich in der katastrophalen Regierungsführung des African National Congress (ANC) finden, stattdessen richtet sich die Wut gegen die Immigranten.

Viele von ihnen kommen als Asylbewerber nach Südafrika, das zumindest auf dem Papier eine fortschrittliche Migrationspolitik betreibt. Die meisten bekommen ein Visum, das einen legalen Aufenthalt bis zur Entscheidung über den Antrag ermöglicht und ihnen erlaubt, zu arbeiten und zu studieren.

Überfordertes System

Rund 83 Prozent der Asylanträge wurden 2015 abgelehnt. Doch viele bleiben danach illegal im Land. Bei über einer Million Menschen stand eine Entscheidung aus, teilweise über Jahre. So zählt Südafrika zu den wichtigsten Gastgebernationen von Asylbewerbern weltweit. Deren Zahl ist auch so hoch, weil Südafrika strenge Beschränkungen für fast alle anderen Formen der Immigration hat. Entsprechend überfordert ist das Asylsystem, eine sorgsame Prüfung bleibt oft aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2017)

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