Das Geständnis eines Kindermörders

Es bleibt nur das Licht. Gedenkkerzen für das brutal ermordete erste Opfer, Jaden F. (neun Jahre alt).
Es bleibt nur das Licht. Gedenkkerzen für das brutal ermordete erste Opfer, Jaden F. (neun Jahre alt).(c) APA/AFP/dpa/INA FASSBENDER (INA FASSBENDER)
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Nach drei Tagen auf der Flucht stellte sich Marcel H. (19) am Donnerstagabend in einem Lokal. Er gestand, einen Buben (9) und einen Bekannten (22) getötet zu haben.

Herne. Im Thessaloniki Grill, einem Imbisslokal in einer Wohngegend nahe dem Bahnhof von Herne (Nordrhein-Westfalen), endete am Donnerstag kurz nach 20 Uhr die tagelange Flucht jenes 19-jährigen Burschen, der im Fall einer Verurteilung als einer der am bizarrsten agierenden Mörder in die jüngere deutsche Kriminalgeschichte eingehen könnte.

„Um 20 Uhr 10 kam er mit schwarzen Klamotten, Regenschirm und einem Sack Zwiebeln in der Hand“, erzählt der 56-jährige Wirt, Georgios Chaitidis. „Er hatte keine Brille auf, ich habe ihn nicht erkannt.“ Dann sagte der Gast ruhig: „Bitte ruf die Polizei!“ Er sei Marcel. „Welcher Marcel bist du denn?“, fragte Chaitidis. „Guck auf dein Tablet, mein Bild steht da.“ Also habe er draufgeklickt und gewusst, wer der Bursch war. Seine Frau rief die Polizei, nach einigen Minuten kamen ein paar Polizisten und nahmen Marcel H. fest.

52 und 68 Messerstiche

Er wird verdächtigt, am Montagabend in Herne einen neunjährigen Nachbarsbuben in einem Keller durch 52 Messerstiche grundlos ermordet und einem Freund von seiner Tat per Internet berichtet zu haben – und zwar auch per Video, von dem zumindest die Tondatei sich seither rasend verbreitet.

Nach seiner Festnahme gab H., wie die Polizei am Freitag bekannt gab, zu der Untat ein Geständnis zu Protokoll. Doch nicht nur zu der: Seitens der Bochumer Oberstaatsanwaltschaft hieß es, er habe in den Tagen der Flucht auch eine zweite Tötung gestanden. Einsatzkräfte hatten zuvor in einer brennenden Wohnung in Herne einen 22-Jährigen tot aufgefunden, bei ihm will man 68 Stiche gezählt haben. H. sagte, dieser sei ein Bekannter gewesen, den er in der Nacht auf Dienstag aufsuchte und bei dem er seither wohnte. Als der Bekannte aber von der Sache erfuhr und drohte, die Polizei anzurufen, habe er ihn getötet und später die Wohnung angezündet.

Den kleinen Buben, Jaden F., hatte H. in den Keller des elterlichen Reihenhauses gelockt, unter dem Vorwand, er möge ihm beim Aufstellen einer Leiter helfen. Die furchtbar entstellte Leiche wurde Stunden später gefunden, danach stellte H. auch Fotos vom Tatort, dem Opfer und seiner eigenen blutigen Hand online.

Der Täter war schon länger auffällig: Die Mutter des getöteten Buben sagte, H. habe Eltern und Geschwister „terrorisiert“ und sich überhaupt „asozial“ verhalten.

Schwester: „Absoluter Psycho“

Er habe nie gegrüßt, im Vorbeigehen weggeschaut, mit Stöcken auf Bäume eingeprügelt und Dinge beschädigt. Die Schwester H.s bezeichnete ihn laut „Bild“ als „absoluten Psycho“. Schon zuvor war bekannt, dass er psychisch labil war, arbeitslos und einen Großteil der Zeit mit Computern und in sozialen Medien verbrachte.

Der Auslöser für die erste Tat war laut H. Frust über eine Absage seitens der Bundeswehr, wo er sich im Herbst beworben hatte. Im Februar lehnte man ihn ab. Er sagte, er habe sich dann das Leben nehmen wollen und letztlich beschlossen, „einen Mord zu begehen, um ins Gefängnis zu kommen“.

Kerstin Wittmeier vom Polizeipräsidium Bochum sagte, sie habe keinen Fall erlebt, der sie so stark betroffen gemacht habe. H. wirke eiskalt und rede völlig gefühllos. In der erwähnten Tondatei im Internet, die direkt nach der Tötung Jadens entstand, heißt es übrigens schlicht: „Ich hab hier gerade den Nachbarn umgebracht. Fühlt sich ehrlich gesagt gar nicht so besonders an. Meine Hand blutet, das ist das Einzige, was mich daran stört.“

Er gehe davon aus, dass er sich in ein paar Tagen stellen werde. Und: „Vielleicht lock ich noch 'nen Nachbarn rüber und mach da das Gleiche.“ (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2017)

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