Historischer Fund

In Kairoer Schlammloch gefundene Statue zeigt Pharao Psammetich I.

Der obere Torso und ein Teil des Kopfes der Psammetich-Statue
Der obere Torso und ein Teil des Kopfes der Psammetich-StatueAPA/AFP
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Tonnenschwere Bruchstücke einer riesigen Figur, die man am Montag aus einem Abwasserkanal bzw. Schlammloch barg, entpuppten sich als Darstellung eines der letzten großen Herrscher Ägyptens aus dem 7. Jht. vor Christus.

Jene überlebensgroße und in mehrere Fragmente zerbrochene Statue, die am 13. März vom Grund eines alten Abwasserkanals bzw. eines Schlammlochs im Nordosten von Kairo geborgen worden war, stammt doch nicht von jenem Pharao, der gemeinhin als der wichtigste und mächtigste der altägyptischen Geschichte gilt, nämlich Ramses II. (Herrschaft 1279 bis 1213 vor Christus): Wie Ägyptens Antiken-Minister Khalid el-Enany am Donnerstagabend sagte, handelt es sich um eine Figur von Pharao Psammetich I., Regentschaft 664 bis 610 vor Christus - also ein König weit jüngeren Datums, der freilich in einer wichtigen Ära der Menschheitsgeschichte regierte.

Die tonnenschweren Teile der Statue waren auf einem Lkw ins Ägyptische Museum gebracht worden, wobei zahlreiche Menschen am Straßenrand standen und jubelten. Archäologen aus Deutschland und Ägypten hatten die Bruchstücke - insbesondere ist der Kopf abgeschlagen - mitten in einem wild wachsenden Viertel im Stadtteil Al-Matarija bei einer Notgrabung wegen eines anstehenden Bauprojekts gefunden. Komplett würde die Statue rund acht Meter hoch sein.

Die Bergung der Statue
Die Bergung der Statue APA/AFP/KHALED DESOUKI (KHALED DESOUKI)

Die Ägypter hatten zunächst angenommen, die Figur zeige Ramses II., weil sich in der Gegend um den Fundort die antike Stadt Heliopolis befunden hat, wo es unter anderem einen Nebentempel zu Ehren von Ramses II. gab. Die pharaonischen Anlagen wurden später, speziell nach der Eroberung Ägyptens durch die Araber in den 640er-Jahren, als Steinbruch benutzt, deshalb wurde Heliopolis zum Großteil zerstört.

Extrem hartes und teures Material

Aus verschiedenen Gründen tippten deutsche Ägyptologen aber schon da auf andere Pharaonen, auf ältere gleichermaßen wie auf jüngere - unter anderem, weil Pharaonen immer wieder nachweislich bestehende Statuen früherer Herrscher leicht modifizieren ließen und als Abbildung der eigenen Person ausgaben, das kam billiger und war schneller. Auch deutete das Material - das teure und extrem harte Quarzit - laut Kennern nicht unbedingt auf Ramses II., weil der Figuren gern aus weicheren Materialien, dafür aber in Serie anfertigen ließ.

Verfrachtung des Oberkörpers
Verfrachtung des Oberkörpersimago/ZUMA Press

Der Schlüssel zur Identifizierung war laut Berichten vor Ort eine Inschrift auf der Rückseite des Torsos, die auf Psammetich hinwies. Jedenfalls sei die Figur aufgrund ihrer Größe und des Materials ein sehr seltener und außergewöhnlicher Fund, heißt es, auch für ägyptische Verhältnisse.

Psammetich (assyrisch Nabu-šēzibani, Pišamilki) war Sohn von Necho I. (671-664 v. Chr), welcher unter Oberhoheit der Assyrer als deren Statthalter Teile des Nildeltas von der Stadt Sais aus regierte. Das war zu einer Zeit, als Ägypten seit mehreren Jahrhunderten (ab etwa 1070) in mehrere Königreiche zerfallen war und immer wieder, sowie in mehr oder weniger großem Ausmaß, von fremden Dynastien und Mächten, speziell dem Assyrischen Reich, beherrscht wurde.

Befreier von den Assyrern

Ein anderer Pharao (Tanotamun, 25. Dynastie) griff gegen 664 v. Chr. das Niltal an, um die Assyrer zu vertreiben. Necho fiel, sein Sohn Psammetich floh nach Syrien, wo er vom assyrischen Herrscher Assurbanipal zum Statthalter Ägyptens ernannt wurde, rasch mit einer Armee in die Gegenoffensive ging und den Großteil Ägyptens bis weit hinauf ins Niltal eroberte. Nun wechselte er freilich die Fronten, nutzte eine Schwäche der Assyrer wegen Aufständen in Babylon und Teilen des heutigen Persiens aus, befreite mit Hilfe griechischer Söldner Unterägypten von der assyrischen Vorherrschaft und vereinigte letztlich Ober- und Unterägypten etwa im Jahr 656 v. Chr.

Darstellung des Psammetich in der Nekropole von Theben
Darstellung des Psammetich in der Nekropole von ThebenGemeinfrei

Weil es ihm zudem gelang, Gegenangriffe der Assyrer durch eine stark befestigte Militärgrenze abzuhalten, spricht man von seiner Regentschaft der 26. Dynastie insgesamt als einer Renaissance alter ägyptischer Macht, die aber zugleich die Spätzeit, den "Herbst" Ägyptens, einleitete, und großteils nur wegen der Schlagkraft eines vorwiegend griechischen Söldnerheeres Bestand hatte. So begann auch die Ära starken griechischen Einflusses in Ägypten.

Psammetich löste jedenfalls auch einen neuen Aufschwung des Handels und eine letzte kulturelle Blüte des Nilreichs aus und ging gegenüber den Assyrern ab den 620ern sogar zur Offensive über.

Eine geheimnisvolle Afrika-Umseglung

Eine geheimnisumwitterte Berühmtheit erlangte Psammetichs Sohn und Nachfolger, Necho II. (610 bis 595). Er legte als einer der ersten Pharaonen Wert auf eine starke Flotte und Seeherrschaft und baute diese mit Hilfe von Griechen und Phöniziern auf. Er soll vor allem, so berichtet der Historiker Herodot, einer phönizischen Flotte den Auftrag erteilt haben, vom Roten Meer aus nach Süden zu fahren, um aufzuklären - und um herauszufinden, ob man von dort aus irgendwie "Libya", so nannte man Afrika, umfahren und wieder im Mittelmeer erscheinen könne. 596 v. Chr. soll die Flotte abgelegt haben und zwei Jahre später vor Alexandria erschienen sein - es war die mutmaßlich erste Umseglung Afrikas.

(ag./wg)

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