Ein Papst im Ruhestand

Knapp zwei Monate vor seinem 86. Geburtstag gab Benedikt XVI. das Amt des Papstes auf.
Knapp zwei Monate vor seinem 86. Geburtstag gab Benedikt XVI. das Amt des Papstes auf.(c) REUTERS (Osservatore Romano)
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Am Ostersonntag feiert Joseph Ratzinger, der emeritierte Papst Benedikt XVI., den 90. Geburtstag. Er lebt zurückgezogen im Vatikan. Wie groß ist noch sein Einfluss in der Kirche?

In den 1990er-Jahren hatten Antiwitze Hochkonjunktur. Ein beliebtes Beispiel: „Treffen sich zwei Päpste.“ Der Witz: Damals galt es als ausgeschlossen, dass es zwei Päpste gleichzeitig geben könnte. Aus dem – wenig lustigen – Scherz ist vor etwas mehr als vier Jahren plötzlich Realität geworden. Knapp zwei Monate vor seinem 86. Geburtstag ist Joseph Ratzinger als Papst zurückgetreten. Aus Altersgründen, wie er diesen Schritt selbst begründet hat. Etwa 600 Jahre lang hatte es keinen Papstrücktritt mehr gegeben. Am 28. Februar 2013, um genau 20 Uhr, begann die Sedisvakanz. Am 13. März hieß es dann „Habemus papam“, und Jorge Mario Bergoglio wurde zum 265. Nachfolger Petrus.

Seitdem stellen sich viele die Frage: „Habemus papas“? An diesem Ostersonntag wird Joseph Ratzinger, der emeritierte Papst Benedikt XVI., 90 Jahre alt. Welchen Einfluss hat der Mann aus dem oberbayerischen Marktl heute noch auf die Geschehnisse in der katholischen Kirche? Auf eigenen Wunsch lebt Ratzinger seit seinem Rücktritt „abgeschieden von der Welt“ und dient ihr „im Gebet“ in dem Kloster Mater Ecclesiae, nur etwa 200Meter entfernt von der Wohnung seines Nachfolgers innerhalb der Mauern des Vatikans. Laut Berichten seines Bruders Georg Ratzinger verbringt Benedikt seine Tage mit Beten, Meditieren, dem Bearbeiten unzähliger Korrespondenz und dem Empfangen von Gästen.

Vieraugengespräche mit Franziskus. Entgegen mancher Verschwörungstheorie heißt es aus dem Vatikan: Der aktuelle und der emeritierte Papst verstehen sich blendend. Alle zwei bis drei Monate besuche Franziskus seinen Vorgänger zu einem Vieraugengespräch. Der Papst scheint keinen Anstoß an dem neben ihm existierenden Vorgänger zu nehmen, ganz im Gegenteil. Anfang 2015 sagte Franziskus in einem Interview im mexikanischen Fernsehen, auch er werde nicht zögern zurückzutreten, wenn er den Eindruck gewinne, dass seine Kräfte zur Ausübung des Petrusdienstes nicht mehr ausreichten.

Dabei sind der Rücktritt Benedikts und seine heutige Rolle noch immer umstritten. Der Historiker Hubert Wolf wirft ihm vor, mit dem Tragen der Papstgewänder und dem Weiterführen seines Papstnamens und der Anrede „Eure Heiligkeit“ trage Benedikt selbst zu der Verwirrung bei, weil es mitunter „zwei Männer in Weiß“ auf dem Petersplatz gebe. So war es beispielsweise am 27. April 2014 bei der Heiligsprechung Johannes  XXIII. und Johannes Paul II. der Fall.

Für Aufregung sorgte im Sommer 2016 eine Rede Georg Gänsweins, Präfekt des Päpstlichen Hauses und Privatsekretär Benedikts in einer Person. Gänswein hatte an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom gesagt, seit dem Amtsverzicht Benedikts gebe es „de facto ein erweitertes Amt – mit einem aktiven und einem kontemplativen Teilhaber“. Er sprach von einem „gemeinsamen Dienst“, denn mit dem Rücktritt habe Ratzinger den Papstdienst nicht verlassen.

„Gehorsam stand nie zur Diskussion.“ Später wehrte sich Gänswein gegen Vorwürfe, er habe von zwei Päpsten gesprochen, und Franziskus selbst machte eine klare Ansage: Benedikt sei kein zweiter Papst, sondern ein emeritierter, und damit gebe es auch kein geteiltes Papstamt. Auch Benedikt bekräftigte Ende August in einem Interview mit der italienischen Zeitung „La Repubblica“: „Der Gehorsam meinem Nachfolger gegenüber stand niemals zur Diskussion.“

All die Spekulationen konnten dem Verhältnis der beiden augenscheinlich nicht schaden. Jedes Jahr überbringt Franziskus seinem Vorgänger persönlich seine Weihnachtsgrüße – die Geste ist schon zu einer kleinen Tradition zwischen den beiden geworden. Geistig und intellektuell sei Benedikt noch fit, heißt es aus dem Vatikan, körperlich sehe das leider etwas anders aus, seine Kraft lasse stetig nach. „Er ist wie eine Kerze, die langsam und friedlich abbrennt“, sagte Gänswein im Frühjahr 2016 der italienischen Zeitschrift „Ben Essere“.

Besuch mit Kardinälen. Daher gibt es auch keine gemeinsamen öffentlichen Auftritte mehr von Franziskus und seinem Vorgänger. Der letzte war am 8. Dezember 2015, als Papst Franziskus das Heilige Jahr der Barmherzigkeit einläutete. Hinter seinem Nachfolger ist auch Benedikt durch die gerade geöffnete Heilige Pforte des Petersdoms geschritten, gestützt von Gänswein. 2014 und 2015 hat Benedikt noch persönlich an der Kardinalskreierung im Petersdom teilgenommen, auf ausdrücklichen Wunsch von Franziskus. 2016 war Benedikt die Teilnahme nicht mehr möglich. Der Papst führte die 17 neuen Kardinäle daraufhin nach deren Ernennung zu seinem Vorgänger.

Auch dieser vom Vatikan als „Höflichkeitsbesuch“ bezeichnete Akt löste schnell Spekulationen aus: Schließlich erfolgte die Ernennung der neuen Kardinäle nur fünf Tage nach der Veröffentlichung der „Dubia“, des Briefes der vier Kardinäle (unter anderen die Deutschen Joachim Meisner und Walter Brandmüller), in dem diese Zweifel an Franziskus' Familienschrift „Amoris Laetitia“ kundtaten. Die Einbeziehung Benedikts in diese Abläufe soll trotz allen Reformeifers eine gewisse Kontinuität signalisieren. Wobei der ehemalige Papst dabei nicht mehr als ein Statist ist, sein kann.

Die „Süddeutsche Zeitung“ betitelte Benedikt einmal als „Dagegenpapst“. In dem 2014 erschienenen vierten Band seiner gesammelten Werke war nämlich eine entscheidende Passage verändert worden: In einem Text, der ursprünglich aus dem Jahr 1972 stammt, hat Benedikt die Kommunion von wiederverheirateten Geschiedenen noch für möglich gehalten. In der neuen Version lehnt er dies jedoch entschieden ab und positionierte sich in der Debatte damit gegen seinen Nachfolger. Benedikt selbst sieht jedoch keine Gegnerschaft zum aktuellen Papst. „Ich versuche, so still zu sein wie nur möglich“, sagte er nach der Aufregung um die entsprechende Passage Ende 2014 im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Ruhig wird es wohl auch zu Ostern zugehen: Sowohl Franziskus als auch Benedikt sind keine Freunde rauschender Feste. Für Ostersonntag ist offiziell nichts Besonderes zum 90. Geburtstag Ratzingers geplant, am Montag empfängt der emeritierte Papst eine Delegation aus Bayern, der auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) angehören wird. Auch ihn dürfte die Frage umtreiben: Was schenkt man einem Papst?

Persönliche Dinge. Am besten man orientiert sich am Papst: Benedikt hat Franziskus zu dessen 80. Geburtstag vergangenes Jahr einen „sehr freundlichen Brief“ geschrieben. Und er soll „drei kleine Geschenke“ für Franziskus gehabt haben, was genau, das hielt der Vatikan geheim. Es hieß nur, es handelte sich um drei „für beide sehr persönliche und bedeutsame Dinge“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2017)

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