Von g'schmackig grinsenden Schafsköpfen

In Südafrika gibt es auch bizarr Aussehendes in Straßenlokalen, jedenfalls aber schön viel Fleisch.

Smileys“, das klingt doch nett, nach fröhlichen WhatsApp-Nachrichten und dem altbekannten gelben Button. In Südafrika weckt das Wort freilich auch auf kulinarischer Ebene positive Assoziationen, zumindest in den Townships. Man findet dort Delikatessen dieses Namens an den großen Straßen und Märkten: Es sind Köpfe von Schafen, die dicht über dem Feuer gegrillt werden. Durch die Hitze entweicht dem Fleisch die Flüssigkeit, so dass sich die Lippen immer weiter zurückziehen – bis es aussieht, als würde das geköpfte Tier wirr grinsen. Ein Smiley also.

„Das ist das Beste vom Schaf“, sagt eine Frau in Polokwane im Nordosten des Landes in der Provinz Limpopo, die an ihrem Grillstand umgerechnet zwei Euro für die sozusagen grinsende Mahlzeit verlangt. Die Augen verkauft sie mitunter separat.

Wenn Westlern schlecht wird

Es gibt Südafrikaner, die diese ungewöhnliche Vorliebe auf die Apartheid zurückführen. Seinerzeit seien die besten Stücke des Tieres an den Metzger gegangen, der sie für die weiße Kundschaft aufbereitete. Weniger beliebte Teile und Abfälle, etwa der Kopf, seien an die Schwarzen gegangen. Nun, richtiger zur Erklärung ist wohl, dass auch in anderen afrikanischen Ländern traditionell kaum Nahrung verschwendet wird, auch nicht solche, die für Westler garstig wirkt, und schon gar nicht proteinhaltige.

Bei Hochzeiten in ländlichen Gegenden Südafrikas werden bisweilen auch die Innereien der frisch geschlachteten Tiere verzehrt, dazu gehört unter anderem auch Schafhirn, wobei sich so manchem westlichen Gast der Magen umdreht. Das gilt im Übrigen auch noch Minuten nach dem Verzehr, denn die Innereien hinterlassen ein merkwürdig pelziges Gefühl im Mund, das sich auch mit dem dort servierten traditionellen Bier kaum ausspülen lässt.

Knusprige Hühnerfüße

Die südafrikanische Speisekarte bietet am Straßenrand weitere Kuriositäten, speziell auf dem Land. Wie wäre es etwa mit gegrillten Hühnerfüßen? Sie schmecken überraschend gut, knusprig, hat was von Chipsessen, so klingt es zumindest angesichts der Knochen, die man mitisst. Die meisten Händler bestreichen die Füße mit süßer Soße, was von eventuellen Ekelgefühlen ablenkt. Preiswert sind sie noch dazu, für eine Fünferportion wird nicht einmal ein Euro verlangt.

Auch im städtischen Umfeld sind Südafrikaner besessen vom schnellen Snack auf der Straße, zweifelsfrei fest entschlossen, internationale Kalorienrekorde aufstellen zu wollen. Der Kapstädter ist in der Hinsicht ein wichtiger Anwärter: Aus der Region stammt der „Great Gatsby“, bestehend aus einem nicht selten fußlangen (Maßgröße Mensch, nicht Huhn) Laib Weißbrot, gefüllt mit einer triefenden Portion Pommes, ordentlich Fleisch (oder Fisch, Calamari, Würsten) und Saucen. Der Vorteil: So ein Ding erspart fast den Wocheneinkauf und sättigt nachhaltig. In Durban variieren sie den „Snack“ etwas: Das Brot wird dank des indischen Einflusses in der Stadt mit reichlich Curry gefüllt, was die Angelegenheit ein wenig gesünder machen dürfte.

Egal wo, die meisten Straßenhändler folgen vor allem einer Regel: Ohne Fleisch ist's kein Essen. Und erst mit tüchtig Fleisch verkauft man, oder mit Fisch – die aus den Fischerdörfern stammenden Fish and Chips sind besonders in Kapstadt populär.

Das Land ist also kaum für Vegetarier geschaffen, wenngleich Supermärkte und Restaurants bisweilen Alternativen auftischen. Doch immer wieder wundert man sich, dass einreisende Fleischverweigerer nicht kategorisch an der Grenze abgewiesen werden. Wer etwa in Soweto Salat – und nur Salat bestellt, trifft auf Kellnerinnen, die minutenlang nicht wissen, ob sie den Kopf schütteln oder lachen sollen. Meistens entscheiden sie sich für beides.
Das Risiko, sich manchmal den Magen zu verderben, nehmen die Südafrikaner als notwendiges Übel in Kauf. Im Kapstädter Township Imizamo Yethu gibt es ein Haus, wo die Besitzerin Dutzende Hühner in einem zum Stall umfunktionierten Badezimmer hält. Sie werden vor der Tür geschlachtet und auf der Straße verkauft. Das mag nicht so hygienisch sein, aber ist es ungesünder als der Besuch der sich auch in Südafrika ausbreitenden Fastfoodketten, die ihre Hühner so schnell und chemiegetränkt mästen, dass sie nicht gehen können, da ihre Knochen mit dem Wachstum des Fleischs nicht mithalten?

Vom Recht auf Streetfood

Eine Studie der Universität Pretoria bescheinigt „den meisten Straßenlokalen indes einen hohen Hygienestandard. Die Gesundheitsrisken seien „minimal“. Die Forscher weisen außerdem darauf hin, dass diese informelle Branche eine wichtige Erwerbsquelle für die Ärmsten des Landes darstelle.

Das regelrechte „Recht auf Streetfood“ bleibt in Südafrika also sicher unantastbar. Kein Politiker würde jemals etwas anderes fordern. Sollten der „Bunny“ oder „Gatsby“ je von den Straßen verbannt werden, dann – so glauben viele – würden diese angesichts von Massenprotesten im Chaos versinken. ?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2017)

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