Kardinal droht Anklage

 Australiens Kurienkardinal George Pell.
Australiens Kurienkardinal George Pell.(c) imago/UIG (imago stock&people)
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Katholische Kirche. Australiens Kurienkardinal George Pell (75) kämpft seit Langem mit Missbrauchsvorwürfen.

Vatikan/Canberra. Der australische Kurienkardinal George Pell, einer der höchsten Würdenträger im Vatikan, muss wegen Missbrauchsvorwürfen im Zusammenhang mit Kindern in seiner Heimat mit einer Anklage rechnen. Die Polizei im Bundesstaat Victoria (Hauptstadt Melbourne) bestätigte am Mittwoch, dass eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, die einen Prozess auslösen könnte, geprüft wird.

Dem 75-Jährigen wird vorgeworfen, als Priester in den 1970er- und 1980er-Jahren, aber auch noch als Erzbischof von Melbourne (1996–2001) Buben belästigt zu haben. 2002, vor allem aber ab 2008 hatten ihm mehrere Personen Missbrauch vorgeworfen, und dass die Kirche die Sache vertuscht habe. 2015 bezeichnete der Brite Peter Saunders, ein Mitglied der 2014 gegründeten päpstlichen Kinderschutzkommission, Pell als „unhaltbar für den Vatikan“.

Pell, geboren in der alten viktorianischen Goldgräberstadt Ballarat, war von 2001 bis 2014 Erzbischof von Melbourne und Sydney. Als Jugendlicher hatte er Profifootballspieler werden wollen. 2003 wurde er von Johannes Paul II. als Kardinalpriester ins Kardinalskollegium aufgenommen. Papst Franziskus ernannte ihn 2013 zum Mitglied des Kardinalsrats, einer Gruppe von acht Kardinälen, die den Papst bei der Reform der Kurie beraten sollen. 2014 wurde er auch Präfekt des neu errichteten Wirtschaftssekretariats – damit ist er quasi Finanz- und Wirtschaftsminister des Vatikans und die inoffizielle Nummer drei der katholischen Hierarchie.

Die Vorwürfe sind besonders heikel, weil Pell schon in den 1990ern eingeräumt hat, dass Australiens katholische Kirche über Jahre die Missbrauchscausa heruntergespielt habe. Mittlerweile wurden an Tausende Opfer dort umgerechnet 276Millionen Euro an Abfindungen gezahlt.

Der Kardinal wies die Vorwürfe gegen ihn stets als falsch zurück. Im Vorjahr hatte er sich dazu im Vatikan vernehmen lassen. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2017)

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