Italien: Ärzte verweigern aus Karrieregründen Abtreibungen

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70 Prozent der Ärzte in Italien führen keine Schwangerschaftsabbrüche durch. Denn in dem katholischen Land gelten Abtreibungen noch immer vielerorts als Tabu.

Für immer mehr Frauen in Italien wird die Suche nach einem Arzt, der Abtreibungen durchführt, zum Spießrutenlauf. In dem überwiegend katholischen Land gelten Schwangerschaftsabbrüche vielerorts noch immer als Tabu - obwohl sie seit fast 40 Jahren legal sind. Viele Ärzte verweigern den Eingriff, um ihre Karriere zu schützen, berichtet die deutsche Nachrichtenagentur dpa. In der um die Hauptstadt Rom gelegenen Region Latium gebe es nur noch sieben Ärzte, die den Eingriff durchführten.

„Abtreibungen werden als schmutzige Arbeit angesehen. Nicht-Verweigerer arbeiten oft in einem feindseligen Umfeld. Manchmal verwehren andere Ärzte oder das Pflegepersonal ihre Hilfe oder behindern einen bei dem Eingriff“, erzählt Silvana Agatone, Frauenärztin in einem römischen Krankenhaus und Mitgründerin des Verbandes Laiga, der gewillte Ärzte vernetzt. So bleibe die Arbeit, die von Gynäkologen gemeinsam getragen werden sollte, an einigen wenigen hängen. „Ärzte, die bereit sind, Abtreibungen durchzuführen, tun oft nichts anderes mehr.“

Landesweit verweigerten rund 70 Prozent der Ärzte eine Abtreibung, heißt es in einer Statistik des Verbandes. In den eher konservativen Regionen im Süden seien es sogar bis zu 85 Prozent: Ein Teil der Krankenhäuser in Italien steht unter der Kontrolle von katholischen Einrichtungen. Viele katholische Kliniken verweigern Abtreibungen kategorisch. Schwangerschaftsabbruch ist nach Ansicht von Papst Franziskus ein "grauenhaftes Verbrechen".

Frauen bringen weichen auf illegale Methoden aus

Einige Frauen, die wegen des Ärztewiderstands die dreimonatige Frist für legale Abbrüche verpassten, brächten sich selbst in Gefahr: Sie besorgten sich illegal Abtreibungspillen aus dem Internet oder ließen die Eingriffe bei unqualifizierten Ärzten durchführen, heißt es in dem Bericht.

Nach Rügen durch den Europarat und dem UN-Menschenrechtsausschuss versuche die Regierung in Latium nun gegenzusteuern. Schwangere können Abtreibungspillen nun direkt bei Familienberatungsstellen statt wie zuvor nur im Krankenhaus erwerben. Das Medikament wurde in Italien nach heftigen Protesten des Vatikans erst 2009 zugelassen. In anderen EU-Ländern ist es bereits seit Ende der 90er Jahre erhältlich.

Öffentlicher Streit um Stellenausschreibungen

Erst im Februar war ein öffentlicher Streit um Frauenärzte und ihr Recht, eine Abtreibung durchzuführen, ausgebrochen. Auslöser war die Stellenausschreibung der Gesundheitsbehörden in Rom, in der ausdrücklich Gynäkologen gesucht wurden, die die Durchführungen von Abtreibungen nicht ablehnen. Ärztevertreter und die Kirche kritisierten dies unter Verweis auf das Gesetz scharf.

Konkret berief sich die Ärztekammer der Region Latium auf den aus dem Jahr 1978 stammenden Abtreibungsparagrafen 194, der auch ein Verweigerungsrecht für Ärzte beinhalte. Die Absicht, nur Gynäkologen anzustellen, die auch bereit sind, eine Abtreibung durchzuführen, sei den Verweigerern gegenüber diskriminierend und somit rechtlich nicht gedeckt.

Der Schwangerschaftsabbruch ist in Italien seit 1981 in den ersten 90 Tagen straffrei. Das Gesetz wurde damals mit 68 Prozent Ja-Stimmen bestätigt, die Diskussion darüber kam jedoch nie zum Erliegen. Besonders umstritten ist die Tatsache, dass das Gesetz für Spätabtreibungen, die wegen Missbildung des Fötus durchgeführt werden dürfen, keine zeitliche Grenze nennt.

(APA/red.)

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