Stierhatz zugunsten der Senioren

Festival in Pamplona. Jeden Morgen um 8 Uhr früh laufen in diesen Tagen Menschen in der nordspanischen Stadt vor den Kampfstieren durch die Straßen.
Festival in Pamplona. Jeden Morgen um 8 Uhr früh laufen in diesen Tagen Menschen in der nordspanischen Stadt vor den Kampfstieren durch die Straßen.(c) APA/AFP/ANDER GILLENEA (ANDER GILLENEA)
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Das Bullentreiben in Pamplona ist legendär – und gefährlich: Etwa 350 Menschen wurden heuer bereits verletzt. Von dem blutigen Spektakel profitiert eine Altenstiftung.

Madrid. Es ist Spaniens blutigstes Volksfest: Rund 350 Menschen wurden an den ersten sechs Tagen des morgendlichen Stiertreibens durch die Gassen Pamplonas bereits verletzt. Ein Banderillero, wie die Helfer der Toreros bei den abendlichen Stierkämpfen in der Arena heißen, erlitt einen Hornstoß in den Unterleib und kämpft um sein Leben. Aber das Blut fließt quasi im Namen der Barmherzigkeit: Das umstrittene Stierspektakel in der spanischen Stadt wird nämlich kurioserweise von einer Altenstiftung organisiert. Und ohne das „Haus der Barmherzigkeit“, wie die gemeinnützige Organisation auf Deutsch heißt, würden wohl auch keine Stiere durch Pamplona bis in die Arena getrieben und dort abends von den Toreros getötet werden. Der Stiftung gehört seit fast einem Jahrhundert die riesige Stierkampfarena, in der knapp 20.000 Menschen Platz finden. Nur die spanische Hauptstadt Madrid und die Mittelmeerstadt Valencia haben noch größere Kampfplätze.

An den neun Abenden, an denen hier noch bis zum 14. Juli jeden Abend sechs Stiere getötet werden, sind die Ränge ausverkauft. Die Eintrittskarten kosten zwischen 21 Euro für die hinteren Plätze und 100 Euro in der ersten Reihe.

Gewinne für die Stiftung

Mit der „Feria del Toro“, wie Pamplonas Stierfest offiziell heißt, das dem Stadtheiligen San Fermín gewidmet ist, subventioniert die Barmherzigkeitsstiftung ihr großes Altenheim. Es ist eines der größten Heime weit und breit mit 555 Wohnplätzen, und es liegt rund einen Kilometer von der Arena entfernt mitten in der City.

Pamplonas Bullentreiben und Stierkämpfe sind ein ziemlich gutes Geschäft. Nach Informationen der örtlichen Medien spült es jedes Jahr mehr als sechs Millionen Euro in die Kasse der Altenstiftung. Freilich müssen auch ein paar Millionen in Sicherheit und Organisation investiert werden. Etwa in die Schutzzäune, mit denen die 875 Meter lange Stierhatzstrecke abgesichert wird. Auch die Stiere müssen gekauft und die Toreros bezahlt werden.

Tierschützer nennen es „Barbarei“

Diese Allianz zwischen „Barmherzigkeit“ und dem, was Tierschützer „Barbarei“ nennen, besteht nun schon seit fast hundert Jahren in Pamplona. Damals, in den 1920er-Jahren, bot das Rathaus der Altenstiftung an, die schon seit Jahrhunderten existierenden Stierkämpfe und -treiben zu organisieren und sich so eine Einnahmequelle zur Finanzierung der Sozialarbeit zu erschließen.

Seitdem laufen und sterben die Stiere für den Betrieb eines Altenheims, das rund ein Drittel seiner Kosten mit dem blutigen Spektakel deckt. Der Rest der Heimfinanzierung kommt über staatliche Zuschüsse und die Zahlungen der Bewohner rein.

Stiftungsvorsitzender ist übrigens Pamplonas Bürgermeister Joseba Asirón Sáez, für dessen Stadt diese berühmte Stierfiesta zur wohl wichtigsten Einnahmequelle des ganzen Jahres geworden ist: Die Hotels sind in diesen Tagen ausverkauft, die Gastronomie macht Rekordumsätze. Die Hunderttausenden von Festbesuchern, davon viele aus dem Ausland, spülen nach Schätzungen jedes Jahr annähernd 150 Millionen Euro in die Kassen der lokalen Wirtschaft Pamplonas.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2017)

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