Fukushima: Bilder aus der atomaren Unterwelt

Im Inneren des Reaktors 3 des AKWs Fukushima: Ein Tauchroboter lieferte die Bilder.
Im Inneren des Reaktors 3 des AKWs Fukushima: Ein Tauchroboter lieferte die Bilder.(c) APA/AFP/IRID/HANDOUT
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Ein Roboter sendet Aufnahmen aus dem Zentrum der Zerstörung des 2011 havarierten AKWs in Fukushima. Daraus erhofft man sich Aufschluss über eine mögliche Entsorgung der Ruine.

Tokio. Gruselbilder, wie man sie noch nie aus einem Atomkraftwerk gesehen hat. Eine Kruste aus erstarrten Steinen wie Lava nach einem Vulkanausbruch bedeckt den Boden des mit Kühlwasser gefluteten Reaktors 3. Nach fünf Tagen Suche könnten die Bilder zeigen, wohin bei der Kernschmelze im März 2011 der verflüssigte Brennstoff abgeflossen ist und vermutlich noch heute vor sich hin strahlt.

Es sind die ersten Bilder aus dieser atomaren Unterwelt, die den Experten detaillierte Einblicke in die bisher undurchdringlichen Behälter liefern. Nach Ansicht von Tadashi Narabayashi seien die gefundenen Substanzen „klar zu identifizieren“. Der Professor für nukleare Ingenieurtechnik an der Hokkaido-Universität ist sich sicher: „Das sind geschmolzene Brennstoffüberreste, die auch mit den in Tschernobyl gefundenen übereinstimmen.“

Der Betreiberkonzern Tepco hatte den 30 Zentimeter langen und 13 Zentimeter breiten Roboter vergangene Woche in den völlig zerstörten und für Menschen nicht zugänglichen Reaktor geschickt, um vielleicht das Geheimnis zu lüften, wo sich der radioaktive Brennstoff befinden könnte. Auch mehr als sechs Jahre nach der Jahrhundertkatastrophe an der japanischen Nordostküste, bei der ein Megabeben mit nachfolgendem Tsunami das riesige Kernkraftwerk Fukushima Daiichi am Pazifik schwer verwüstete, kann noch niemand genau sagen, wohin sich die geschmolzene Kernmasse verflüchtigt hat.

Wo liegen atomare Überreste?

Das Experiment war auch riskant. Tepco hatte bereits im Februar und März versucht, Erkundungsroboter in die Tiefen der Reaktorblöcke 2 und 1 zu schicken. Damals scheiterte die Suche nach den nuklearen Abfällen an dem riesigen Trümmerberg und der radioaktiven Verstrahlung. Im Reaktor 3 erwies sich über sechs Meter tiefes, hochverstrahltes Wasser als unüberwindliches Hindernis.

Jetzt könnte sich die Hypothese bestätigen lassen, dass sich der Brennstoff als Geröll auf dem Boden des Reaktors abgesetzt hat. Aber für endgültige Rückschlüsse ist es wahrscheinlich noch zu früh. Die Bilder müssen aufwendig analysiert werden, dämpfte Tepco-Sprecher Takahiro Kimoto die Erwartungen der Öffentlichkeit. Alle Welt will natürlich vor allem wissen, ob von den geschmolzenen Kernelementen noch immer eine lebensbedrohliche Gefahr ausgeht.

Bisher lässt sich lediglich vermuten, dass der nukleare Brennstoff mit den Trümmern der Ruine verschmolzen ist. Dabei müssen sich enorme Hitze und Kraft entwickelt haben. Besonders wichtig sind den Experten jedoch verlässliche Kenntnisse über die Lokalisierung der atomaren Überreste. Daraus ließe sich eventuell ableiten, wie die Atomruine möglichst sicher und endgültig zu entsorgen wäre. Eine solche Strategie könnte helfen, die hochgefährlichen Katastrophenrückstände halbwegs sicher zu bergen. Professor Narabayashi denkt, „das ist ein epochales Ereignis“, und „es gibt Aufschlüsse, wie Roboter zu entwickeln sind, die solche Rückstände beseitigen können“.

Extrem teure Sanierung

Das ist allerdings eine äußerst langwierige und kostspielige Aufgabe, darin sind sich die Wissenschaftler einig. Schätzungen gehen von 30 bis 40 Jahren aus, die für die Aufräumungsarbeiten nötig wären. Die dafür zu veranschlagenden Kosten könnten bei umgerechnet 700 Millionen Euro pro Jahr liegen. Eine Prognose von Japans Regierung geht jedoch von jährlich mehr als einer Milliarde Euro aus. Diese Aufgabe kann der de facto insolvente Energieriese Tepco allein kaum schultern. Bisher gibt es aber noch keine Bereitschaft des japanischen Staates, das Areal an der Pazifikküste mit Steuermitteln zu sanieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2017)

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